a) Inhalt des Herausgabeanspruchs
Rz. 105
Der zentrale Anspruch des Nacherben richtet sich auf Herausgabe der Erbschaft als Sachgesamtheit. Dieser Anspruch richtet sich allein gegen den Vorerben bzw. dessen Erben, falls der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt. Darüber hinaus hat der Nacherbe gegenüber Dritten die Ansprüche aus seiner Rechtsstellung als Rechtsnachfolger des Erblassers und kann daher Eigentums- und Besitzrechte gegenüber jedermann geltend machen. Dem Nacherben kann keine Befreiung durch den Erblasser entgegengehalten werden. Die Befreiungsmöglichkeit des § 2136 BGB, der auch auf § 2130 BGB verweist, bezieht sich hier allein auf den Zustand des Nachlasses, nicht auf die Herausgabepflicht als solche.
Rz. 106
Der Nacherbe übernimmt den Nachlass mit allem ihn betreffenden Rechten und Pflichten. Er hat daher bei abgeschlossenen Verpflichtungsgeschäften des Vorerben, zu denen dieser befugt war, die dingliche Übertragung zu gewährleisten.
b) Beweisproblematik
Rz. 107
Gerade bei Vor- und Nacherbschaft in der Familie ist es meist so, dass der Nacherbe die Informationsrechte zur Sicherung von Beweismitteln nicht geltend macht. Wird der Nacherbe dann nicht selbst auch Erbe des Vorerben, können bei der Ermittlung des Nachlassbestandes große Schwierigkeiten entstehen. Vorerben, die Familienvermögen erben, vermischen meist die Erbschaft mit dem Eigenvermögen. Stirbt der Vorerbe, ist grundsätzlich der Erbe des Vorerben verpflichtet, dem Nacherben Rechenschaft zu leisten und den Nachlass herauszugeben. Er ist auch verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung abzugeben. Die Möglichkeiten des Erben des Vorerben, den Nachlassbestand zu ermitteln, sind jedoch oft limitiert. Er kann die Nachlassgegenstände nicht sauber auseinanderhalten. Der Nacherbe, der auf Herausgabe klagen möchte, muss jedoch die Zugehörigkeit eines Nachlassgegenstandes zur Nacherbmasse beweisen. Grundsätzlich gilt bei Beweisvereitelung bzw. Verletzung von Dokumentationspflichten, dass dem Nacherben eine Beweiserleichterung zugutekommen kann. Die Tatsache, dass der Nacherbe während der Vorerbschaft versäumt hat, gegenüber dem Vorerben die Sicherungsrechte geltend zu machen, soll ihm nach einer Auffassung nicht zum Nachteil gereichen. Dieser Auffassung ist vom Ansatz her zuzustimmen. Es ist der Erbe des Vorerben, der in die Position des Vorerben voll einrückt und damit auch dessen Versäumnisse erbt. Der BGH hat verdeutlicht, dass der Erbe sich "bis zur Grenze der Unzumutbarkeit" eigenes Wissen beschaffen müsse, um die Rechenschaft so vollständig und richtig abzugeben, wie ihm dies möglich ist.
Praxishinweis
In einem Prozess wird daher der Vertreter des Erben des Vorerben darauf zu achten haben, dass dem Gericht verdeutlicht wird, dass alle nur möglichen Anstrengungen unternommen wurden, das Sondervermögen zu ermitteln und der Substantiierungspflicht bei der Vermögensverwaltung Genüge zu tun.
Rz. 108
Der Nacherbe wird dann zumindest Anhaltspunkte liefern müssen, warum ein Nachlassgegenstand dem Erblasser gehörte oder als Surrogat in das Sondervermögen fiel. Letztlich wird dann das Gericht im Einzelfall entscheiden müssen, welche Partei bei Aufklärungslücken das Nachsehen hat.
Rz. 109
Beim umfassend befreiten Vorerben, der bereits vom Erblasser z.B. von der Rechenschaftslegungspflicht befreit wurde, wird der Nacherbe stark einzuschränken sein. Das nicht entziehbare Recht des Nacherben, ein Verzeichnis nach § 2121 BGB zu verlangen, erlischt mit dem Nacherbfall. Dem Nacherben, der gem. § 352b Abs. 1 FamFG aus dem Erbschein die Befreiung entnehmen konnte, muss der Erbe des Vorerben dieses Versäumnis entgegenhalten können. Großzügige Beweiserleichterungen sind hier nicht zu gewähren.