Rz. 25

Das BayObLG nahm anlässlich eines Falles die Gelegenheit, Amts- und Landgericht darauf hinzuweisen, dass eine auflösende Bedingung gem. § 2075 BGB zwingend die Vor- und Nacherbfolge bedeutet.

 

Fall

Der Entscheidung des BayObLG[39] lag ein Testament zugrunde, in dem die Bedachte A das Eigentum an einem Grundstück erhalten sollte, das den wesentlichen Teil des Vermögens darstellte. Die Übertragung stellte die Erblasserin jedoch unter die "Bedingung", dass A das Anwohnen "benutzt", "bewirtschaftet" und ein beim Erbfall vorhandenes Haustier "versorgt". Wenn sie dies nicht erfülle, solle das Grundstück verkauft und der Erlös unter drei Personen, darunter die Bedachte, aufgeteilt werden.

AG und LG wollten auf Antrag der Bedachten einen Alleinerbschein ohne Nacherbenvermerk ausstellen. Übersehen hatten beide Instanzen, dass A bis zu ihrem Tod auflösend bedingte Vollerbin und damit automatisch aufschiebend bedingte Vorerbin sowie gemeinsam mit den anderen beiden Personen auflösend bedingte Nacherbin wurde. Erst mit der berühmten Todessekunde wird sicher sein, ob A endgültig Vollerbin wurde. Der Erbschein zugunsten A muss nach § 352b Abs. 1 FamFG den Nacherbenvermerk in der dort ausgeführten Eindeutigkeit enthalten. Wird der Erbschein nicht in dieser Form von A beantragt, ist der Antrag zurückzuweisen.

 

Rz. 26

Die zwingende rechtssystematische Folge einer Erbeinsetzung unter auflösender Bedingung ist die Einsetzung von Vor- und Nacherben.[40] Die Unsicherheit bei der Fassbarkeit dieses Instituts zeigt sich jedoch auch, wenn es darum geht, dem Ehegatten hier wenigstens die Stellung des befreiten Vorerben zuzubilligen; Lange/Kuchinke sehen in § 2105 Abs. 1 BGB eine "gesetzliche Vorerbschaft", korrigieren sich jedoch unmittelbar im Anschluss dahingehend, dass es "trotz des Gesetzeswortlauts besser" sei, beide Vorschriften als "Auslegungsregeln" anzusehen.[41] Dieses Kunstgriffs bedarf es nicht. Schwierigkeiten ergeben sich zwangsläufig aus der Tatsache, dass der Erblasser, der Bedingungen in sein Testament aufnimmt, sich über die Person des oder der Nacherben ausschweigt. Aufgabe der Testamentsauslegung ist dann die Lösung der Frage, ob die Anordnung des Erblassers lediglich ein Wunsch war oder ob dem Erben, der sich der Anordnung widersetzt, das Erbe rückwirkend entzogen werden soll (§ 2075 BGB).

[39] BayObLG ZErb 2004, 53.
[40] Krug, Examenskurs PK Erbrecht, 8 II; Bonefeld/Kroiß/Tanck/Kroiß/Steinbacher, Erbprozess, § 4 Rn 1.
[41] Lange/Kuchinke, PK Erbrecht, § 28 II 1d.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?