Dr. Lars Damke, Dr. Martin van Bühren
Rz. 190
Der in § 81 Abs. 1 VVG für die Schadensversicherung normierte Grundsatz, dass der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei ist, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich herbeiführt, wird in den VGB 2010 in B § 16 Nr. 1 a VGB 2010 näher ausgeführt. Der erste Absatz der Klausel hat lediglich deklaratorische Bedeutung, da er lediglich der Text des § 81 Abs. 1 VVG wiederholt. Der zweite Absatz enthält eine unwiderlegliche Vermutung zur vorsätzlichen Schadenherbeiführung. Der Versicherer ist für eine von ihm behauptete vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls in vollem Umfang beweispflichtig, ohne dass ihm hierfür Beweiserleichterungen zugutekämen. Dem Versicherer ist aber die Beweisführung durch Indizien eröffnet. Ist die Schadenverursachung durch ein rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil festgestellt, so gilt die vorsätzliche Schadensherbeiführung als bewiesen.
Rz. 191
Hat der Versicherer seine Bedingungen nicht an die Neuregelung des VVG vom 23.11.2007 entsprechend angepasst, so kann er sich bei einer grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung nicht auf sein Recht zur Leistungskürzung nach § 28 Abs. 2 S. 2 VVG berufen. § 11 Nr. 2 S. 1–3 VGB 88 weicht entgegen § 32 S. 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Regelungen ab. Die Klausel nimmt Bezug auf die Kündigung und die Leistungsfreiheit in § 6 VVG a.F., wonach eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge haben kann. Diese Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers führt zur Unwirksamkeit der Regelung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie stellt eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, da die Leistungsfreiheit des Versicherers bei lediglich grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 28 Abs. 2 S. 2 VVG nicht zu vereinbaren ist.
Rz. 192
In welchen Fällen in der Wohngebäudeversicherung wegen grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalles Leistungsfreiheit besteht, ist für jede Gefahrengruppe getrennt zu beantworten. Bei der grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung kommen Leistungskürzungen, abhängig von der Schwere des Verstoßes, zwischen 0 und 100 % in Betracht.
Rz. 193
Für die Feuerversicherung wurde grobe Fahrlässigkeit in folgenden Fällen bejaht:
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Das Zünden von einem oder mehreren Feuerwerkskörpern im Erdgeschoss eines Hauses, die zum Vertreiben einer Katze in den Kellerraum geworfen werden, obwohl bekannt ist, dass sich dort leicht brennbare Gegenstände befinden und sich der Versicherungsnehmer anschließend für fünf bis zehn Minuten entfernt. |
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Verlassen der Wohnung bei eingeschaltetem Ceranfeld auf dem ein Topf mit Fett zum Frittieren erhitzt wird, um die Tochter aus der Schule abzuholen (50 %ige Leistungskürzung). |
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Leistungskürzung bei einem Brandschaden um 30 %, bei Stehenlassen eines Topfes mit Fett auf der eingeschalteten Herdplatte. |
Rz. 194
In der Leitungswasserversicherung wurde grobe Fahrlässigkeit in folgenden Fällen bejaht:
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unterlassene Überprüfung eines Zuleitungsschlauchs für eine Waschmaschine ohne Aquastop-Vorrichtung, der lediglich mittels einer Schlauchschelle an einen Wasserhahn befestigt wurde, |
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unterlassenes Absperren der Wasserleitungen nach dem Ausfall der Heizung in einer Frostperiode, |
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unterlassenes Entleeren einer Wasserleitung in einer unbeheizten Wohnung während einer Frostperiode, |
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unterlassenes Entleeren einer Wasserleitung in einem Wochenendhaus im Januar, |
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die Beheizung einer Lagerhalle nur mit einem Heizlüfter, nachdem bereits zuvor ein Frostschaden entstanden ist, |
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unterlassene Kontrolle der Waschmaschine nach Abwesenheit, |
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Nichtabstellen des Hauptwasserhahns bei einem leerstehenden Gebäude während der Wintermonate, |
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Leistungskürzung auf null, wenn die wasserführenden Leitungen in einem längere Zeit leerstehenden Gebäude weder abgesperrt noch geleert sind und die Heizungsanlage vollständig stillgelegt ist, |
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Leistungskürzung auf null bei frostbedingten Wasserschäden in einem leerstehenden Haus ohne Doppelverglasung und Wärmedämmung, wenn Temperaturen im zweistelligen Minusbereich auftreten, |
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50 %ige Leistungskürzung bei Schaden, der während der einstündigen Abwesenheit des Versicherungsnehmers durch einen Defekt an der Zuleitung einer ausgeschalteten Waschmaschine (bei geöffnetem Wasserhahn) entsteht, soweit keine Schutzvorrichtungen (Aquastop) montiert ist, |
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90 %ige Kürzung der Versicherungsleistung bei Frostschäden an den nicht abgesperrten oder entleerten Wasserleitungen in einem seit zwei Jahren leerstehenden Gebäude. |
Rz. 195
In der Leitungswasserversicherung wurde grobe Fahrlässigkeit in folgenden Fällen verneint:
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Versehentlich nicht abgestellte Wasserzufuhr für eine Waschmaschine, |
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Verlassen der Wohnung für ein bis zwei Stunden trotz Betriebes der Spül... |