Dr. iur. Christian Saueressig
Rz. 22
Die für die Zurückweisung verspäteten Vorbringens bedeutsamsten Fristen im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO sind die Klageerwiderungsfristen, §§ 275, 276 ZPO.
Aber BGH NJW 2012, 2808:
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Verteidigungsmittel sind in der Regel nicht "nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist" (§ 296 Abs. 1 ZPO) vorgebracht, wenn das Gericht nach Ablauf der gem. § 276 Abs. 1 S. 2 ZPO gesetzten (und verlängerten) Klageerwiderungsfrist dem Beklagten ohne Fristsetzung nochmals Gelegenheit zur Klageerwiderung gibt.
Die gesetzte Frist und das Vorbringen, welches als verspätet zurückgewiesen werden soll, müssen auch aufeinander bezogen sein.
BGH NJW-RR 2017, 1018:
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Hat das Gericht eine Frist zur Stellungnahme zum Gutachten gem. § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzt, so kann nach Fristablauf eingehender Parteivortrag, der sich nicht auf die im Gutachten behandelte Beweisfrage bezieht, nicht nach § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden.
Für die Klageerwiderungsfristen kann eine Verspätung zunächst einmal dadurch vermieden werden, dass ein Antrag auf Fristverlängerung nach § 224 ZPO gestellt wird. Nach OLG Karlsruhe soll das verspätete Vorbringen trotz unterlassenen Fristverlängerungsantrages schon dann nicht präkludiert werden können, wenn einem solchen Antrag mit Sicherheit entsprochen worden wäre.
Für eine wirksame richterliche Frist hat der BGH folgende Anforderungen aufgestellt: Zum einen muss die fristsetzende Verfügung vom zuständigen Richter unterzeichnet sein (die bloße Paraphe genügt nicht!) und förmlich zugestellt oder mündlich verkündet sein. Inhaltlich müssen Fristdauer, die jeweiligen Anforderungen und die Folgen der Fristversäumung erkennbar sein.
BGH NJW 2009, 515:
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Die Zustellung einer bloßen Mitteilung der Geschäftsstelle, über die vom Vorsitzenden der Berufungskammer gesetzte Frist zur Berufungserwiderung, löst nicht die Frist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO für die Einlegung der Anschlussberufung aus; es bedarf auch insoweit der Zustellung einer beglaubigten Abschrift der richterlichen Verfügung gem. § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO.
OLG Frankfurt am Main NJW-RR 2011, 1001:
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Eine Fristsetzung für die schriftliche Stellungnahme auf die Klageerwiderung ist ohne Belehrung gem. § 277 Abs. 2 ZPO und ohne Unterschrift mit dem vollständigen Namen des Richters nicht wirksam.
Weiter muss die gesetzte Frist angemessen sein, vgl. dazu OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 27232:
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Es spricht im Ergebnis einiges dafür, dass bereits die gesetzte Klageerwiderungsfrist unangemessen kurz war und dadurch die Verteidigung der Beklagten unangemessen behindert wurde. Der Vorsitzende der Zivilkammer hat am gleichen Tag, als der Klägerin (nur) eingeschränkt PKH bewilligt wurde, das schriftliche Vorverfahren angeordnet und neben der zweiwöchigen Frist für die Verteidigungsanzeige eine weitere Frist von zwei Wochen für die Klageerwiderung gesetzt. Die gesetzte Frist hielt zwar das gesetzliche Mindestmaß (§ 276 Abs. 1 S. 2 ZPO) ein, auch war die erforderliche Belehrung gemäß § 276 Abs. 2 ZPO beigefügt und die Fristsetzung ist der Beklagten in beglaubigter Abschrift förmlich zugestellt worden. Die gesetzte Frist war jedoch aus mehreren Gründen unangemessen kurz: Bereits aus der Klageschrift ergab sich, dass es sich um ein komplexes Behandlungsgeschehen handelte, das sich über mehrere Monate in verschiedenen Kliniken der Beklagten hinzog und in dessen Verlauf nach Darstellung der Klägerin diverse Behandlungsfehler vorgekommen sein sollen. Auch wenn die Beklagte bereits seit der Zustellung des PKH-Antrags am 6.4.2010 mit der Problematik vertraut war und sich auf den bevorstehenden Prozess vorbereiten konnte, war zu berücksichtigen, dass sie zunächst einen Rechtsanwalt beauftragen und ihn mit der Sache vertraut machen musste und,dass sie zur angemessenen Verteidigung, auf Informationen mehrerer Ärzte aus verschiedenen Abteilungen angewiesen war. Davon, dass die Beklagte sich gegen die Klage nicht verteidigen würde, konnte ungeachtet der Tatsache, dass eine Stellungnahme im PKH-Verfahren nicht abgegeben wurde, nicht ausgegangen werden. Die Einräumung lediglich der gesetzlichen Mindestfrist zur Klageerwiderung war auch deshalb nicht sachgerecht, weil von vorneherein abzusehen war, dass der medizinische Sachverhalt voraussichtlich nicht ohne Sachverständigengutachten würde geklärt werden können.
Siehe auch BGH NJW 1994, 736:
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Der Beklagte kann mit dem Verteidigungsvorbringen nicht gem. § 296 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen werden, wenn die dem Beklagten gesetzte Klageerwiderungsfrist unangemessen kurz war.
Rz. 23
Die Auswirkung einer Fristverletzung veranschaulicht am besten ein Beispiel.
Beispiel
Das Gericht hat nach Klageeingang im März Verhandlungstermin auf den 20.6. anberaumt und dem Beklagten mit der Ladung zu diesem Termin gemäß § 276 ZPO eine Frist zur Klageerwiderung zum 5.5. gesetzt. Die Klageerwiderung geht am 7.5. bei Gericht ein.
Eine Zurückweisung des Vorbringens des Beklagten wegen Verspätung kommt nicht in Betracht. Zwar hat er die ihm gesetzte Frist ...