Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 84
Bei Verletzung eines Beamten durch einen anderen Beamten ergeben sich hinsichtlich der Schadensersatzpflicht vier Fallgestaltungen:
a) |
Verletzung bei einer privaten Handlung des Schädigers, |
b) |
Verletzung bei Ausübung einer Amtspflicht, die dem Schädiger, aber nicht dem anderen Beamten gegenüber oblag, |
c) |
Verletzung bei Ausübung einer Amtspflicht, die dem Schädiger dem anderen Beamten gegenüber oblag, jedoch ohne Ausübung öffentlicher Gewalt, |
d) |
Verletzung einer Amtspflicht gegenüber dem anderen Beamten bei Ausübung öffentlicher Gewalt. |
Rz. 85
Zu a): Soweit der handelnde Beamte sich außerhalb seines Dienstbereichs bei einer privaten Tätigkeit befunden hat, z.B. mit seinem Privatwagen einen Ausflug macht und hierbei einen anderen Beamten überfährt, richtet sich die Haftung unter den Beteiligten ausschließlich nach den allgemeinen Haftungsvorschriften, das heißt z.B. § 823 BGB, §§ 7, 18 StVG. In diesem Fall hat mithin der verletzte Beamte einen vollen Schadensersatzanspruch. Soweit der verletzte Beamte von seiner Behörde Versorgungsleistungen erhält, kommt es zum Rechtsübergang nach § 76 BBG. Auch wenn der haftende Schädiger (Beamte) bei der gleichen Behörde bedienstet ist, ist er hinsichtlich des Rückgriffanspruchs seitens der Behörde aus § 76 BBG ebenso gestellt wie jeder andere Dritte. Die besondere beamtenrechtliche Regelung des § 75 Abs. 1 BBG findet hier keine Anwendung, weil sie die Verletzung einer Amtspflicht voraussetzt. § 107 SGB VII findet auf Beamte keine Anwendung, weil sie der gesetzlichen Unfallversicherung nicht unterliegen.
Rz. 86
Zu b): Soweit der Beamte in dienstlicher Eigenschaft tätig war, aber keine ihm dem verletzten Beamten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat, ist er dem anderen Beamten ebenfalls nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. in erster Linie § 823 BGB, zum Schadensersatz verpflichtet. § 839 BGB findet keine Anwendung, weil es an der erforderlichen Verletzung einer dem Verletzten gegenüber bestehenden Amtspflicht fehlt.
Rz. 87
Daher hat der verletzte Beamte einen Anspruch gegen den haftenden Beamten. Dieser Anspruch geht zwar nach § 76 BBG auf die Behörde über. Andererseits hätte die Behörde in diesem Fall nach Maßgabe des § 75 Abs. 1 BBG die Möglichkeit des Rückgriffs gegenüber dem Schädiger. Mit Rücksicht auf die Ausschließlichkeit der Sonderregelung des § 75 Abs. 1 BBG muss angenommen werden, dass daneben ein Rückgriffsanspruch aus § 76 BBG nicht erhoben werden kann.
Rz. 88
§ 78 Abs. 1 BBG verschafft auch der Behörde eine bessere Rechtsstellung. Danach besteht eine Haftung für jeden Vermögensschaden, also auch für den sich aus der Verpflichtung zur Gewährung von Versorgungsleistungen ergebenden (Vermögens-)Schaden.
Rz. 89
Dennoch kann die Behörde aus eigenem Recht gegen den Beamten Rückgriff nehmen, weil § 78 Abs. 1 BBG nicht die Verletzung eines absoluten Rechts im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB voraussetzt. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, sich mit unmittelbaren Ansprüchen an den haftenden Beamten zu wenden. Insoweit bleibt darauf hinzuweisen, dass die Frage, ob die Behörde sich hier nicht ein etwaiges Mitverschulden des Verletzten anrechnen lassen müsste, weil sie aus eigenem – originärem – Recht und nicht aus derivativem Recht klagt, nach wie vor offen ist.
Zu § 75 BBG vgl. im Übrigen § 2 L.
Rz. 90
Soweit ein Beamter den Schaden als Kraftfahrer der Behörde verursacht hat, muss die Behörde gemäß § 2 Abs. 2 PflVG wie ein Haftpflichtversicherer für ihn eintreten (dazu § 5 Rdn 16 ff.). Ein Rückgriffsanspruch besteht daher lediglich im Rahmen des § 3 Nr. 9 bis 11 PflVG. Die beamtenrechtlichen Vorschriften sind dadurch ausgeschlossen.
Rz. 91
Zu c): Hat der Beamte eine Amtspflicht verletzt, die ihm gegenüber dem verletzten Beamten oblag, haftet er unter den Voraussetzungen des § 839 BGB. In diesen Fällen wird er daher gegenüber dem verletzten Beamten nicht haftpflichtig, soweit dieser von anderer Seite Ersatz erlangt (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies ist auch gegeben bei der Gewährung von Versorgungsbezügen durch die Behörde, sodass in diesen Fällen praktisch für den Schaden der Behörde ein übergangsfähiger Schadensersatzanspruch im Sinne des § 76 BBG gegen den Beamten gar nicht bestehen würde, und zwar auch dann nicht, wenn es sich nicht um die Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt hat. Dagegen würde auch in diesem Fall die Rechtsgrundlage des § 75 Abs. 1 BBG bleiben, aufgrund derer die Behörde gegen den Beamten nach den internen beamtenrechtlichen Vorschriften Regress nehmen kann. Auch hier ergibt sich mithin, dass ein Nebeneinanderbestehen von Regressansprüchen aus §§ 76 und 75 Abs. 1 BBG nicht infrage kommt.
Rz. 92
Zur generellen Einschränkung des Verweisungsprivilegs im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB bei Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr vgl. die seit der Entscheidung des BGH vom 27.1.1977 geänderte Rechtsprechung.
Rz. 93
Zu d): Hat der Beamte in Ausübung öffentlicher Gewalt gehandelt, trifft die Haftung seine Behörde. Diese hat dem verletzten Beam...