Rz. 23
Bei einem Betriebsübergang tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Aufgrund des Wechsels in der Arbeitgeberstellung erwirbt der neue Inhaber in erster Linie den Anspruch auf Leistung der vom Arbeitnehmer dem Betriebsveräußerer ggü. geschuldeten Dienste einschließlich der Nebenansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, und zwar gegen Gewährung der zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern vereinbarten Vergütung (APS/Steffan, BGB, § 613a Rn 99).
Rz. 24
Aus dem Übergang der Rechte und Pflichten folgt, dass der neue Betriebsinhaber Schuldner aller Verbindlichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis wird, auch, soweit sie vor dem Übergang entstanden sind, § 613a Abs. 2 S. 1 BGB. Der neue Betriebsinhaber tritt in jeder Hinsicht – auch als Schuldner einer Lohn- oder Gehaltsforderung – in die Rechtsstellung des früheren Betriebsinhabers ein.
Rz. 25
Zu den übergehenden Rechten und Pflichten zählen auch Nebentätigkeitsgenehmigungen des Arbeitnehmers, die vor Betriebsübergang von dem Betriebsveräußerer erteilt worden sind, sowie Vertragsstrafenabreden. Sie richten sich nach dem bisherigen Arbeitgeber, die Anpassung an die Situation des Erwerbers erfordert nach dem Betriebsübergang eine Vertragsänderung. Hat der bisherige Arbeitgeber mit dem übernommenen Arbeitnehmer eine Wettbewerbsabrede getroffen, ist hieraus bei späterem Ausscheiden des Arbeitnehmers der Betriebserwerber berechtigt und verpflichtet, wobei sich der zulässige Umfang des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes ab dem Betriebsübergang nach seinen geschäftlichen Interessen richtet (APS/Steffan, BGB, § 613a Rn 100). Ändert dieser bspw. seine Produktpalette oder seinen Kundenstamm, so kann sich das Wettbewerbsverbot auch hierauf beziehen (vgl. § 34 Rdn 1 ff.).
Rz. 26
Vollständiger Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten des Betriebsveräußerers bedeutet nicht nur eine Nachfolge in rechtlichen Beziehungen, sondern auch Zurechnung von Gegebenheiten, die als Tatbestandsmerkmale für spätere Rechtsfolgen ausschlaggebend sind (BAG v. 21.3.1991 – 2 AZR 577/90). Derartige Gegebenheiten können Krankheitszeiten des Arbeitnehmers, bereits ausgesprochene Abmahnungen, Kündigungstatbestände oder auch die Geltendmachung von Rechten ggü. dem Betriebsveräußerer sein.
Rz. 27
Das in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegende Arbeitsangebot und die darin enthaltene tarifliche Geltendmachung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen muss sich der neue Inhaber nur zurechnen lassen, wenn der Arbeitnehmer bereits vor dem Betriebsübergang Feststellungsklage gegen den bisherigen Arbeitgeber erhoben oder diese nach Kenntnis von dem Betriebsübergang alsbald auf den neuen Inhaber umgestellt hat (s. zum Parteiwechsel ArbG Siegen v. 14.3.1989 – 1 Ca 780/88; LAG Hamm v. 12.12.1996 – 4 Sa 1258/94, jeweils m.w.N.; LAG Hamm v. 28.1.1997 – 4 Sa 141/96, n.v.; LAG Hamm v. 26.11.1998 – 4 Sa 384/98).
Rz. 28
Bzgl. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt für die Ermittlung einer Fortsetzungserkrankung, dass zugunsten des Betriebserwerbers krankheitsbedingte Fehlzeiten des Arbeitnehmers beim Betriebsveräußerer berücksichtigt werden können, da durch den Betriebsübergang kein neues Arbeitsverhältnis i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG vorliegt (Schmitt/Schmitt, EFZG, § 3 Rn 266).
Rz. 29
Dagegen lässt sich aus dem Normzweck des § 613a Abs. 1 BGB keine Verpflichtung zur zwangsweisen Zusammenrechnung verschiedener Betriebszugehörigkeiten ableiten, wenn der übernommene Arbeitnehmer in Leistungsnormen hineinwächst, die für sein bisheriges Beschäftigungsverhältnis nicht galten. Der Betriebserwerber kann daher nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift nicht dazu gezwungen sein, beim Rechtsvorgänger verbrachte Vordienstzeiten hinsichtlich der nur bei ihm selbst geltenden Tarifbestimmung zur Höhe des Urlaubsgeldzuschlages anzurechnen. Das Gesetz gebietet nur, Leistungsbedingungen zu wahren, die bereits im Arbeitsverhältnis beim Betriebsveräußerer galten. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist kein Besitzstand, der sich hinsichtlich erst vom Betriebserwerber geschaffener Leistungsbedingungen anspruchserhöhend auswirkt. Das Gesetz will lediglich einen erreichten sozialen Besitzstand erhalten und damit die Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren. Dies hat Auswirkungen, wenn die Höhe des Urlaubsanspruchs oder eines Gratifikationsanspruchs (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld etc.) bei gleichbleibender tariflicher Regelung von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig ist. Soweit hieraus ggü. dem alten Arbeitgeber keine Ansprüche, Anwartschaften oder Erwerbsaussichten folgen, ist dies auch ggü. dem neuen Arbeitgeber nach § 613a Abs. 1 BGB nicht der Fall (LAG Düsseldorf v. 9.11.2000 – 13 Sa 1272/00).
Rz. 30
Andererseits ist bei der Verdrängung einer im veräußerten Betrieb geltenden Betriebsvereinbarung über Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch eine beim Betriebserwerber geltende Betriebsvereinbarung nach § 613a Abs. 1 S. 3 BGB der ...