Rz. 32
In § 613a Abs. 2 BGB ist eine gesamtschuldnerische Mithaftung (§ 421 BGB) des bisherigen Arbeitgebers neben dem neuen Betriebsinhaber für dessen Verpflichtungen bestimmt, soweit diese vor dem Zeitpunkt des Überganges entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden.
Rz. 33
Um die Haftung des bisherigen Arbeitgebers nicht über Gebühr auszudehnen, ist weiter bestimmt, dass dieser grds. nicht für die Vergütung von Leistungen der Arbeitnehmer haften soll, die erst nach Übergang des Betriebes entstanden und erbracht worden sind. Gleiches gilt für solche Verbindlichkeiten, die zwar vor Betriebsübergang entstanden sind, aber später als ein Jahr nach Betriebsübergang fällig werden (§ 613a Abs. 2 S. 1 BGB). Der bisherige Arbeitgeber haftet danach "nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraums entspricht" (§ 613a Abs. 2 S. 2 BGB). Gemeint ist mit dieser Regelung, dass der bisherige Arbeitgeber derartige Ansprüche nur zeitanteilig erfüllen muss, d.h. soweit ihr "Bemessungszeitraum" vor dem Betriebsübergang liegt. Wird z.B. eine Weihnachtsgratifikation gewährt, so haftet der bisherige Arbeitgeber nur i.H.d. halben Gratifikation, wenn der Betrieb zur Jahresmitte auf einen neuen Inhaber übergeht.
Rz. 34
Auch für Urlaubsansprüche gilt nur eine anteilige Haftung (BGH v. 4.7.1985 – IX ZR 172/84; BGH v. 25.3.1999 – III ZR 27/98; a.A. OLG Frankfurt am Main v. 17.2.1983 – 1 U 127/82; s. zur anteiligen Haftung ferner BAG v. 22.6.1978 – 3 AZR 832/76, AP § 613a BGB Nr. 12 m. Anm. Seiter = SAE 1979, 70 m. Anm. Roemheld). Hierbei ist zu beachten, dass sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf Freizeitgewährung richtet. Diese kann aber nach dem Betriebsübergang nur vom Betriebserwerber erfüllt werden. Der Betriebserwerber hat einen Ausgleichsanspruch in Geld gegen den Betriebsveräußerer (BGH v. 25.3.1999 – III ZR 27/98). Eine anteilige Haftung auf das Urlaubsentgelt kommt nur bzgl. eines zeitanteiligen Urlaubsabgeltungsanspruchs in Betracht (vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 136). Wird das übergegangene Arbeitsverhältnis im Laufe des Kalenderjahres beendet, schuldet der bisherige Arbeitgeber Urlaubsabgeltung gem. § 613a Abs. 2 BGB, soweit der Urlaubsanspruch in der Zeit vor dem Betriebsübergang entstanden ist (LAG Nds. v. 9.11.1999 – 7 Sa 40/99; ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 136; a.A. MüKo-BGB/Müller-Gloge, § 613a Rn 166). Wird allerdings der schon vor Insolvenzeröffnung entstandene Urlaubsanspruch vom Betriebserwerber erfüllt, so schuldet allein dieser das Urlaubsentgelt (LAG Frankfurt am Main v. 30.3.1998 – 11 Sa 1226/97; LAG Frankfurt am Main v. 30.3.1998 – 11 Sa 1227/97). Einen bereits genehmigten Urlaub muss sich der Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang vom neuen Arbeitgeber nicht erneut genehmigen lassen (LAG Köln v. 18.7.1997 – 11 Sa 368/97).
Rz. 35
Obwohl dies nicht ausdrücklich bestimmt ist, erfasst § 613a Abs. 2 BGB auch die Verbindlichkeiten, die vor Betriebsübergang bereits fällig waren. Soweit die Haftung des bisherigen Arbeitgebers reicht, haftet er neben dem neuen Betriebsinhaber als Gesamtschuldner (§ 613a Abs. 2 S. 1 BGB), sodass die §§ 421 bis 426 BGB Anwendung finden (OLG Düsseldorf v. 28.12.1989 – 6 U 246/88). Das bedeutet, dass der Betriebsveräußerer nicht bloß die Stellung eines Bürgen hat und sich deshalb auch nicht auf die Vorausklage (§ 771 BGB) des Arbeitnehmers gegen den Betriebserwerber berufen kann. Der Arbeitnehmer kann die Leistung vielmehr nach seinem Belieben von dem bisherigen oder dem neuen Arbeitgeber verlangen (Berscheid, KGS, "Betriebsübergang/Betriebsinhaberwechsel", Rn 163, 164 m.w.N.).
Rz. 36
Zu beachten ist bei der Mithaftung des bisherigen Arbeitgebers, dass dieser im Fall eines Betriebsüberganges nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Er kann sich im Fall einer Inanspruchnahme durch seinen früheren Arbeitnehmer wegen fälliger Ansprüche ggf. auf tarifliche Ausschlussfristen berufen. Eine tarifliche Ausschlussfrist, die an das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis anknüpft, beginnt mit dem Zeitpunkt des Überganges des Betriebes zu laufen (BAG v. 10.8.1994 – 10 AZR 937/93).
Rz. 37
Im Innenverhältnis zwischen dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber ist vorrangig auf die zwischen ihnen getroffene Regelung abzustellen, wobei sich diese auch aus der Natur der Ansprüche ergeben kann. Haben sie eine derartige Vereinbarung nicht getroffen, so haften sie im Verhältnis zueinander gem. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB jeweils anteilig auf die Hälfte des auszugleichenden Betrags (ErfK/Preis, § 613a BGB Rn 137; Schaub/Koch, ArbRHB, § 118 Rn 22).