Rz. 94
Grds. sind Kündigungen, die infolge des Betriebsüberganges ausgesprochen werden, unwirksam, sodass kein Wiedereinstellungsanspruch besteht, sondern das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten bleibt (s.o.). Etwas anderes kann sich allerdings dann ergeben, wenn der Betriebsinhaber zunächst das Arbeitsverhältnis wirksam aus betriebsbedingten Gründen, z.B. aufgrund einer bevorstehenden Betriebsstilllegung kündigt und sich erst anschließend die Möglichkeit des Betriebsüberganges ergibt. Ist ein Betriebsübergang im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht absehbar, ist auch die Kündigung nicht wegen § 613a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam (BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96). Geht nun aber der Betrieb doch auf einen neuen Betriebsinhaber über, kann der gekündigte Arbeitnehmer einen Wiedereinstellungsanspruch unter Aufrechterhaltung seines sozialen Besitzstandes (Schiefer, NZA 1998, 1095, 1098 f., 1106) haben.
Rz. 95
Beispiel
Nach der Kündigung eines Auftrages zur Krankenhausreinigung kündigt der Arbeitgeber den an diesem Auftrag beschäftigten Arbeitnehmern. Zu diesem Zeitpunkt war der Betriebsübergang noch nicht absehbar. Anschließend übernimmt der neue Auftragsinhaber den wesentlichen Bestandteil der Hauptbelegschaft. In diesem Fall liegt ein Betriebsübergang vor und die gekündigten Arbeitnehmer haben einen Wiedereinstellungsanspruch (BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95; BAG v. 22.1.1998 – 8 AZR 197/95, n.v.).
Rz. 96
Abhängig ist dieser Anspruch allerdings davon, dass der Betriebserwerber noch keine Maßnahmen getroffen hat, die dem Wiedereinstellungsanspruch entgegenstehen und ihm die Beschäftigung des Arbeitnehmers zuzumuten ist (BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96; BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97). Ein entgegenstehendes berechtigtes Interesse des Arbeitgebers kann bspw. dann vorliegen, wenn dieser bereits einen anderen Arbeitnehmer eingestellt oder sich das Anforderungsprofil für die Stelle aufgrund einer Änderung des Betriebskonzepts geändert hat (BAG v. 28.6.2000 – 7 AZR 904/98; BAG v. 4.5.2006 – 8 AZR 299/05).
Rz. 97
Fraglich ist, ob es zeitliche Grenzen für den Wiedereinstellungsanspruch gibt. Jedenfalls dann, wenn der Betriebsübergang im Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ende des Arbeitsverhältnisses liegt, besteht ein Wiedereinstellungsanspruch (BAG v. 27.2.1997 – 2 AZR 160/96; BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 295/95). Erfolgt der Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch nur ausnahmsweise in Betracht (BAG v. 25.10.2007 –8 AZR 989/06, NZA 2008, 357). Ein solcher Anspruch kann dann gegeben sein, wenn der Betrieb oder Betriebsteil, dem der Arbeitnehmer zugeordnet war, gem. § 613a BGB auf einen Betriebserwerber übergeht (BAG v. 15.12.2011 – 8 AZR 197/11, n.v.). Jedenfalls bei einer Betriebsübernahme nach InsO besteht kein Wiedereinstellungsanspruch (BAG v. 13.5.2004 – 8 AZR 198/03).
Rz. 98
Den Wiedereinstellungsanspruch muss der Arbeitnehmer aber unverzüglich nach seiner Kenntniserlangung gegen den Betriebserwerber geltend machen (BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 265/97). Hierbei ist die Monatsfrist zur Ausübung des Widerspruches heranzuziehen (BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 989/06).
Rz. 99
Ausnahmsweise kann sich auch ein Wiedereinstellungsanspruch gegen den Betriebsveräußerer richten. Es ist den Betriebspartnern möglich aus Anlass eines Betriebsüberganges in einer Betriebsvereinbarung einen Anspruch auf Abschluss eines Arbeitsvertrages zu vereinbaren, welcher entstehen soll, wenn dem Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen beim Betriebserwerber gekündigt wird (BAG, 19.10.2005 – 7 AZR 32/05, BB 2006, 1747).