Dr. K. Jan Schiffer, Matthias Pruns
Rz. 39
Die sog. Familienstiftung (siehe auch Rdn 97 ff.) ist keine gesonderte Stiftungsart, sondern eine Unterart der rechtsfähigen Stiftung des Privatrechts. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie nach ihrem Stiftungszweck in erster Linie oder jedenfalls wesentlich den Interessen einer oder mehrerer Familien dient. Welchen Umfang diese Familienförderung haben muss, ist allerdings beinahe schon "traditionell" umstritten. Die Frage wird zudem für das Stiftungszivilrecht anders beantwortet als für das Stiftungssteuerrecht.
Rz. 40
Der Begünstigtenkreis (Destinatäre), der die Familienstiftung kennzeichnet, wird ebenfalls nicht einheitlich definiert. Die Abgrenzungsansätze reichen von der Person des Stifters und seinen in gerader Linie mit ihm Verwandten bis hin zu mehreren Familien im Sinne der viel weiteren Definition der Familie in der AO. Die Art und Weise der Familienbegünstigung ist ebenfalls nicht in allen Gesetzen gleich definiert. So wird in den stiftungsrechtlichen, d.h. zivilrechtlichen Definitionen zumeist eine immaterielle Begünstigung als ausreichend angesehen, im Steuerrecht hingegen auch ein materieller Vorteil gefordert.
Rz. 41
Mit Blick auf die sog. Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) ist eine Familienstiftung nach Auffassung der Finanzverwaltung (R E 1.2 Abs. 2 ErbStR 2019) gegeben, wenn nach der Stiftungssatzung der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge entweder zu mehr als 50 % bezugs- oder anfallsberechtigt sind (siehe auch § 15 Abs. 2 AStG) oder wenn sie zu mehr als 25 % bezugs- oder anfallsberechtigt sind und zugleich zusätzliche Merkmale ein "wesentliches Familieninteresse" belegen. Dabei soll nach der Finanzverwaltung bereits die satzungsmäßige Bezugsberechtigung das Wesen der Familienstiftung prägen, ohne dass es auf tatsächlich erfolgte Ausschüttungen ankommt (R E 1.2 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2019).
Entgegen dieser Auffassung ist aber nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes für die Einstufung als Familienstiftung zu fordern, dass den begünstigten Familienangehörigen (Destinatären) entweder mindestens 75 % der laufenden Bezüge und des bei der Auflösung der Stiftung anfallenden Vermögens zugesagt sein müssen ("Löwenanteilstheorie") oder aber zumindest ⅓, wobei dann weitere qualitative Indizien für ein besonderes Vermögensinteresse der Familie hinzukommen müssen.
Das gilt alles nur für rechtsfähige Familienstiftungen. Unselbstständige Stiftungen mit Familienbezug fallen nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.
Rz. 42
Außerhalb des Steuerrechts entscheidet die Einordnung als Familienstiftung vor allem darüber, ob und in welchem Umfang die jeweilige Stiftung der staatlichen Stiftungsaufsicht unterliegt. So entfällt bspw. bei der Familienstiftung nach dem Stiftungsgesetz Baden-Württemberg die ansonsten für die Stiftung geltende Verpflichtung, bestimmte Rechtsgeschäfte der Stiftung im Voraus anzuzeigen.
Rz. 43
Familienstiftungen sind insb. im Unternehmensbereich beliebt. Über eine Familienstiftung kann, wie sogleich zu zeigen sein wird, unabhängig von der Familie die Sicherung der Zukunft des Unternehmens bei gleichzeitiger finanzieller Versorgung der Familienangehörigen erreicht werden. Dass Familienstiftungen hier allerdings kein Allheilmittel sind und welche Sorgfalt bei Beratung und Gestaltung erforderlich ist, hat jüngst der durch die Presse gegangene "Aldi"-Streit gezeigt. Bei aller Gestaltungsfreude der Berater darf der Blick aufs Ganze nicht verloren gehen.