Rz. 22
Der Abgeltungsbereich der Gebühren ist in § 15 RVG geregelt. Nach § 15 Abs. 1 RVG gelten die gesetzlichen Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit ab. Welchen zeitlichen oder sonstigen Umfang die Tätigkeit im Einzelfall hat, spielt für das Entstehen der Gebühr damit keine Rolle, sondern kann – bei Rahmengebühren – allenfalls den Gebührensatz beeinflussen. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. In gerichtlichen Verfahren bekommt er für jede Instanz neue Gebühren, § 17 Nr. 1 RVG.
Rz. 23
Die Gebühren decken die anwaltliche Tätigkeit in einer Angelegenheit ab, sodass im ersten Schritt festzustellen ist, was genau mit "Angelegenheit" gemeint ist. Der Begriff der Angelegenheit, auf den § 15 RVG Bezug nimmt, ist gesetzlich nicht definiert und es gibt auch keine allgemeinen Richtlinien dazu, welchen Umfang eine Angelegenheit hat und wann dieselbe oder wann verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Stattdessen wird die Angelegenheit anhand von Fallgruppen in §§ 16, 17 RVG umschrieben.
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur umfasst eine Angelegenheit das gesamte Geschäft, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt damit den durch einen einheitlichen Lebenssachverhalt abgesteckten Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist damit sowohl von dem Auftrag als auch von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht; eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen.
Für die Frage, wann von einer einzigen Angelegenheit auszugehen ist oder wann mehrere Angelegenheiten vorliegen, ist insbesondere der Inhalt des dem Anwalt erteilten Auftrags im jeweiligen Einzelfall maßgebend. In der Regel betreffen die weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der "anwaltlichen Mühewaltung" gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt aber nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Vielmehr kann ein einheitlicher Rahmen auch vorliegen, wenn mehrere Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen sind.
Für eine Angelegenheit muss somit ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegen, was regelmäßig an drei Voraussetzungen festgemacht werden kann:
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ein einheitlicher Auftrag, |
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ein gleicher Rahmen der Tätigkeit und |
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ein innerer Zusammenhang. |
Der Rechtsanwalt ist grundsätzlich verpflichtet, ein Mandat kostengünstig zu bearbeiten. Spaltet er eine Angelegenheit sachwidrig auf, verstößt er gegen die Interessen des Mandanten und macht sich ggf. schadensersatzpflichtig.
Rz. 24
Nur wenn ein einheitlicher Auftrag erteilt wird, handelt es sich um die gleiche Angelegenheit, z.B. wenn ein Mandant den Anwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen bezüglich eines bestimmten Gegenstands beauftragt. Der Rahmen eines einheitlichen Auftrags kann auch gewahrt sein, wenn noch nicht erledigte Teilaufträge sukzessive erweitert werden, sofern sie gemeinsam behandelt werden sollen. Umgekehrt kann ein Auftrag auf mehrere Angelegenheiten gerichtet sein oder auch von mehreren Mandanten erteilt werden.
Im Rahmen der Prüfung, ob ein einheitlicher Auftrag vorliegt, kommt u.a. der punktuellen Streitgegenstandstheorie (siehe § 21 Rdn 10 ff.) Bedeutung zu: Wird der Rechtsanwalt z.B. wegen einer Kündigung mandatiert, schuldet er zwar Belehrungen zur Wahrung von Fristen für Vergütungsforderungen, nicht jedoch deren Geltendmachung oder die Übernahme eines dahin gehenden Auftrags. Wird der Anwalt von einem Arbeitnehmer wegen einer Kündigung mandatiert und kündigt der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist vorsorglich nochmals, hat der Anwalt seinen Mandanten nur darauf hinzuweisen, dass auch für diese Kündigung die Klagefrist beachtet werden muss. Er muss jedoch nicht automatisch auch die zweite Kündigung angreifen. Wünscht der Arbeitnehmer insoweit eine Klage(erweiterung), kann er dem Anwalt einen neuen Auftrag oder eine Erweiterung des ursprünglichen Auftrags anbieten. Annehmen muss der Anwalt dieses Angebot aber nicht, denn es gilt die durch Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit. Für das Ablehnen einer Auftragserweiterung kann es verschiedene Gründe geben, z.B. Arbeitsüberlastung des Anwalts oder private Gründe wie z.B. Urlaubsabwesenheit. Die Gründe können aber auch in der Person des Mandanten liegen. Gerade wenn die bisherige Mandatsbearbeitung aus Sicht des Anwalts problembehaftet war, sollte sorgfältig überlegt werden, ob die Zusammenarbeit wirklich noch weiter ausgeweitet werden soll. Will der Anwalt den Auf...