Rz. 124
Der 8. Abschnitt der StPO regelt insbesondere die Sicherstellung und Beschlagnahme von Gegenständen (§§ 94 ff. StPO), die Telekommunikationsüberwachung (§ 100a StPO), die Online-Durchsuchung (§ 100b StPO), die akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO), die Erhebung von Verkehrsdaten (§ 100g StPO), technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkendgeräten (§ 100i StPO), den Einsatz verdeckter Ermittler (§§ 110a ff. StPO) oder die Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO). Für die tägliche Praxis des Strafverteidigers sind nach wie vor die Vorschriften über die Sicherstellung und Beschlagnahme bzw. die Durchsuchung von besonderer Bedeutung, weshalb auf die sonstigen Eingriffsbefugnisse aus Platzgründen nicht eingegangen wird.
Rz. 125
Für die Tätigkeit des Strafverteidigers in Fällen der Durchsuchung bzw. Sicherstellung und Beschlagnahme sind drei Stadien zu unterscheiden, nämlich: vor Durchführung der Zwangsmaßnahme, währenddessen sowie schließlich nach Beendigung derselben.
Rz. 126
Der Fall, dass der Verteidiger bereits vor Durchführung der Zwangsmaßnahme davon Kenntnis erhält, dürfte allerdings relativ selten sein. Kommt es dennoch einmal dazu, dass der Verteidiger – etwa aus dem Studium der Akten – von einer bevorstehenden Durchsuchung erfährt, ist es umstritten, ob er den Beschuldigten von dieser Tatsache in Kenntnis setzen kann. So hat der BGH im Jahre 1974 entschieden, dass Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Verteidiger den Beschuldigten vom Akteninhalt in Kenntnis setzen kann, dann in Betracht kommen, wenn "die Aushändigung den Untersuchungszweck gefährden würde oder zu befürchten ist, dass die Auszüge oder Abschriften zu verfahrensfremden Zwecken missbraucht werden". Dies kann nach dem BGH zu bejahen sein, "wenn der Beschuldigte aus einer ihm ausgehändigten Abschrift aus den Akten erfahren würde, dass eine Durchsuchung seiner Wohnung bevorsteht". Dieser Auffassung ist allerdings – mit guten Gründen – entgegenzutreten, da sie das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandanten zutiefst belasten würde. Der Verteidiger muss deshalb sehr wohl das Recht haben, alle ihm auf legalem Wege zugegangenen Informationen an seinen Mandaten weiterzugeben, wozu noch nicht vollzogene Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse ebenso gehören wie noch nicht vollstreckte Haftbefehle.
Rz. 127
Häufiger ist der Fall, dass der Verteidiger von seinem Mandanten in dem Zeitpunkt angerufen wird, in dem die Durchsuchung seiner Wohnung, Büroräume etc. begonnen hat. Da sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers bedienen kann, kann ihm auch in dieser Situation die Kontaktaufnahme nicht untersagt werden. Alles andere wäre rechtswidrig. Die Hoffnungen aber, die der Mandant in einem solchen Fall auf die Tätigkeit des Strafverteidigers setzt, sind in der Regel nicht zu erfüllen. Insbesondere besteht mangels gesetzlicher Grundlage keinerlei Aussicht, die sofortige Beendigung der Durchsuchung zu erwirken. Bereits im Telefongespräch sollte der Mandant auf diese Fakten aufmerksam gemacht und vor unüberlegten Handlungen sowie unbedachten Äußerungen eindringlich gewarnt werden. Die Mitteilung, dass der Verteidiger ihn aber umgehend aufsuchen werde, um an der Durchsuchung teilzunehmen, dient jedenfalls sicher der Beruhigung des Mandanten und bewahrt diesen womöglich vor (weiteren) unbedachten Äußerungen.
Rz. 128
Ist der Verteidiger am Ort des Geschehens, wird es seine primäre Aufgabe sein, seinem Mandanten in dieser zumeist schwierigen Situation Beistand zu leisten. Ein Recht auf Anwesenheit hat der Verteidiger allerdings nicht. Jedoch kann ihm der Inhaber der zu durchsuchenden Räume – zumeist sein Mandant – die Gegenwart gestatten, vgl. § 106 Abs. 1 StPO. Die Grenze zulässigen Verteidigerhandelns normiert dann § 164 StPO, nach dem vorsätzliche Störer bis zur Beendigung der Amtshandlung festgehalten werden können.
Rz. 129
Die weiteren Einwirkungsmöglichkeiten des Verteidigers sind beschränkt. Möglicherweise ist mit dem Mandanten zu überlegen, ob gesuchte Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden sollen. Dies könnte den Vorteil haben, dass die Durchsuchung beendet werden muss, da der Durchsuchungszweck erfüllt ist.
Rz. 130
Sinnvoll ist es in jedem Fall, sich über die die Durchsuchung anordnende Stelle sowie die rechtliche und tatsächliche Grundlage der Durchsuchung in Kenntnis zu setzen. Mit diesem Wissen kann versucht werden, den weiteren Fortgang der Durchsuchung zu kontrollieren und ggf. auf den Ablauf Einfluss auszuüben. So dürfen zwar Zufallsfunde unter den Voraussetzungen des § 108 StPO beschlagnahmt werden. Im Umkehrschluss darf aber nach ihnen ebenso wenig gesucht werden, wie wahllos nach irgendwelchen anderen Gegenständen.
Rz. 131
Von praktischer Relevanz ist noch die Vorschrift des § 107 S. 2 StPO, nach der dem von der Durchsuchung Betroffenen auf Verlangen ein Verzeichnis der in Verwahrung oder in Beschlag genommenen Gegenstände gegeben werden muss. Auf die Substantiierung von...