1. Typischer Sachverhalt
Rz. 147
Im Rahmen eines gegen Herrn A eingeleiteten Ermittlungsverfahrens nahmen ihm die Beamten der Kriminalpolizei unter Berufung auf § 81b Alt. 2 StPO Fingerabdrücke ab. Der Vergleich mit den am Tatort gefundenen Fingerabdrücken ergab, dass eine Tatbeteiligung des Herrn A mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Mangels hinreichenden Tatverdachts wurde das Verfahren gegen Herrn A gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auf Anfrage teilte die Kriminalpolizei mit, dass die über Herrn A angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen in der kriminalpolizeilichen Sammlung aufbewahrt werden.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 148
Gesetzliche Grundlage für die Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen ist § 81b StPO. Wird das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt oder endet es mit einem rechtskräftigen Freispruch, aus dem sich die Unschuld des Angeklagten ergibt, hat der Betroffene regelmäßig das Interesse, dass die über ihn angefertigten Unterlagen vernichtet bzw. gelöscht werden. Mit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen liegt nämlich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor.
Rz. 149
Wenn die zuständige Polizeibehörde die Aufbewahrung der Unterlagen für mögliche zukünftige Strafverfahren aus erkennungsdienstlichen Gründen für sinnvoll und notwendig erachtet, vernichtet sie die Unterlagen i.d.R. nicht, vgl. etwa für Baden-Württemberg §§ 481 f., 484 Abs. 4 StPO, 38 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 PolG BaWü. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG ist der Anspruch auf Vernichtung der Unterlagen daher nicht zwingend.
Rz. 150
Für die Aufbewahrung der nach § 81b StPO angefertigten Unterlagen gilt der Grundsatz der Notwendigkeit, vgl. zur Datenverarbeitung §§ 483 ff. StPO sowie zur Löschung und Einschränkung der Verarbeitung von Daten § 489 StPO. Dieser Begriff trägt dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung, in rechtlich geschützte Positionen des Einzelnen nur einzugreifen, soweit dies notwendig erscheint. Daher ist zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Kriminalität und dem persönlichen Interesse des Betroffenen abzuwägen. Daraus ergibt sich, dass nicht jeder von der Polizeibehörde als potentieller Rechtsbrecher betrachtet werden darf, der angezeigt, sonst irgendwie aufgefallen ist oder sich verdächtig gemacht hat. Eine derartige Vorgehensweise widerspricht dem Prinzip des freiheitlichen Rechtsstaates.
Rz. 151
Die Landespolizeibehörden sind für die Aufbewahrung und Vernichtung von erkennungsdienstlichen Unterlagen zuständig. Deren Aufbewahrung ist nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben außerhalb konkreter Strafverfolgung. Der Antrag auf Vernichtung ist also an die zuständige Landespolizeibehörde zu richten. Die Ablehnung ist ein Verwaltungsakt. Nach h.M. ist der Anspruch auf Vernichtung mit der Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zu verfolgen.
3. Muster: Antrag auf Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen (§ 81b Alt. 2 StPO)
Rz. 152
Muster 41.22: Antrag auf Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen (§ 81b Alt. 2 StPO)
Muster 41.22: Antrag auf Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen (§ 81b Alt. 2 StPO)
An die Landespolizeibehörde _____
Nach dem nun abgeschlossenen Ermittlungsverfahren _____ gegen _____
stelle ich unter Vollmachtsanzeige im Namen und im Auftrag meines Mandanten den Antrag,
sämtliche aufgrund des Ermittlungsverfahrens gegen _____ angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen bei allen mit dieser Sache befassten Polizeidienststellen zu vernichten.
Begründung:
In der Person meines Mandanten liegen gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er künftig oder andernorts mit guten Gründen als Verdächtigter in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte.
_____ (Darstellen des Sachverhalts, Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, keine Anhaltspunkte für künftige Verwicklung in Ermittlungsverfahren etc.)
Die Aufbewahrung ist nicht mehr von § 81b StPO gedeckt, die Unterlagen sind zu vernichten. Ich bitte, mir binnen drei Wochen eine Nachricht zu geben, dass dem Antrag entsprochen und alle erkennungsdienstlichen Unterlagen oder sonst gespeicherte Daten vernichtet sind.
(Rechtsanwalt)
4. Anmerkungen zum Muster
Rz. 153
Zu den Aufbewahrungsfristen bis zur Löschung vgl. etwa für BaWü § 38 Abs. 4 PolG.