Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1249
Die Teilhabe an den Geschicken des Unternehmens als solches, über wirtschaftliche Entscheidungen, wird zunächst über die Unternehmensmitbestimmung gewährleistet. Hierzu entsenden die Arbeitnehmer je nach Art, Größe und Organisation des Unternehmens Vertreter in den Aufsichtsrat (Einzelheiten vgl. etwa Fitting, BetrVG, § 1 Rn 151 ff.). Darüber hinaus haben Gesamtbetriebsrat oder ggf. Betriebsrat in größeren Unternehmen einen Wirtschaftsausschuss einzurichten. Dieser ist als Hilfsorgan des Betriebsrates bzw. des Gesamtbetriebsrates ausgestaltet. Die Funktion ist, in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und den Betriebsrat darüber zu informieren. § 106 BetrVG steht dabei unabhängig neben dem Anspruch aus § 80 Abs. 2 (BAG v. 5.2.1991, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 10).
a) Errichtung
Rz. 1250
Der Wirtschaftsausschuss ist vom Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat einzurichten (§§ 106 ff. BetrVG; beim gemeinsamen Betrieb genügt die Beschäftigtenzahl des gemeinsamen Betriebs, BAG v. 1.8.1990 – 7 ABR 91/88, NZA 1991, 643 = DB 1991, 1782); hingegen kann der Konzernbetriebsrat keinen Wirtschaftsausschuss errichten (BAG v. 23.8.1989, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 7). Bei Unternehmen mit Betrieben im Ausland kommt es allein auf die Zahl der inländischen Arbeitnehmer an (ErfK/Kania, § 106 BetrVG Rn 2; Fitting, BetrVG, § 106 Rn 19; a.A. DKKW/Däubler, § 106 BetrVG Rn 28). Bei ausländischen Unternehmen ist ein Wirtschaftsausschuss einzurichten, wenn die im Inland angesiedelten Betriebe organisatorisch zusammengefasst sind und mehr als einhundert Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigen (BAG v. 1.10.1974, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 1; BAG v. 31.10.1975, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 2). Der Wirtschaftsausschuss wird auf Unternehmens-, nicht auf Betriebsebene gebildet und besteht aus mindestens drei und höchstens sieben Mitgliedern, die dem Unternehmen angehören müssen, darunter mindestens einem Betriebsratsmitglied (§ 107 Abs. 1 BetrVG). Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestimmt. Besteht ein Gesamtbetriebsrat, so bestimmt dieser die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses; in diesem Fall endet die Amtszeit in dem Zeitpunkt, in dem die Amtszeit der Mehrheit der Mitglieder des Gesamtbetriebsrates, die an der Besetzung mitzuwirken berechtigt waren, endet (§ 107 Abs. 2 BetrVG). Die Amtszeit endet auch dann, wenn die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend auf 100 oder weniger sinkt (BAG v. 7.4.2004 – 7 ABR 41/03, NZA 2005, 311 = DB 2004, 1839).
Führen zwei Unternehmen, die jeweils für sich genommen die Voraussetzungen von § 106 Abs. 1 BetrVG erfüllen, gemeinsam einen Betrieb, erfolgt die Bildung eines Wirtschaftsausschusses grundsätzlich unternehmensbezogen, nicht betriebsbezogen (BAG v. 26.2.2020 – 7 ABR 20/18, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 24; BAG v. 19.11.2019 – 7 ABR 3/18, NZA 2020, 598). Genießt eines der Unternehmen Tendenzschutz i.S.d. § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG, kann der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs einen Wirtschaftsausschuss bilden, wenn das andere Unternehmen tendenzfrei ist. Dem Wirtschaftsausschuss stehen jedoch gegenüber dem Tendenzunternehmen keine Rechte zu (BAG v. 26.2.2020 – 7 ABR 20/18, AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 24).
Bilden zwei Unternehmen nur einen Gemeinschaftsbetrieb, von denen lediglich eines in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmer ständig beschäftigt, und ist dieser zugleich Alleineigentümer des anderen beteiligten Unternehmens, ist der Wirtschaftsausschuss ausschließlich bei dem herrschenden Unternehmen zu errichten (BAG v. 22.3.2016 – 1 ABR 10/14, NZA 2016, 969).
Rz. 1251
Auch leitende Angestellte können zum Mitglied des Wirtschaftsausschusses bestimmt werden (ErfK/Kania, § 107 BetrVG Rn 3; LAG Düsseldorf v. 25.3.1975, DB 1975, 1418). Der Betriebsrat kann mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder beschließen, die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses einem Ausschuss des Betriebsrates zu übertragen, dessen Zahl der Mitglieder die Zahl der Mitglieder des Betriebsausschusses nicht überschreiten darf, soweit nicht weitere Angestellte hinzuberufen werden (§ 107 Abs. 3 BetrVG).
b) Gegenstand der Unterrichtung und Unterlagen
Rz. 1252
Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss über alle wesentlichen wirtschaftlichen Angelegenheiten, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren können, unaufgefordert rechtzeitig und umfassend unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen (§ 106 Abs. 2 BetrVG) und den Jahresabschluss "unter Beteiligung des Betriebsrats" zu erläutern (§ 108 Abs. 5 BetrVG). Mit Entscheidung aus dem Jahr 2019 hat das BAG klargestellt, dass die wirtschaftliche Lage der Konzernmutter kein Gegenstand der Unterrichtung für den Wirtschaftsausschuss eines konzernangehörigen Unternehmens ist (BAG v. 17.12.2019, NZA 2020, 531).
Rz. 1253
Was im Einzelnen zu den wesentlichen wirtschaftlichen An...