Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
a) Öffentlichkeit der Auszählung
Rz. 269
Unverzüglich nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor und gibt das sich aufgrund der Auszählung ergebende Wahlergebnis bekannt. Gegen die Pflicht, dies in öffentlicher Sitzung vorzunehmen, wird verstoßen, wenn Zeit und Ort der Auszählung nicht, nicht ausreichend oder fehlerhaft bekannt gemacht worden sind (BAG v. 15.11.2000 – 7 ABR 53/99, juris). Der gesamte Wahlvorstand – ggf. auch vertreten durch Ersatzmitglieder – muss bei der Auszählung anwesend sein, ansonsten ist die Wahl anfechtbar.
Rz. 270
Hinweis
Nach LAG Baden-Württemberg (30.10.2012 – 15 TaBV 1/12, juris) ist zur Wahrung der Öffentlichkeit nicht ausreichend, dass der Vorgang im Großen und Ganzen beobachtet werden kann. Zwar sei vollständiges Mitlesenkönnen nicht erforderlich. Die Beobachter müssten danach aber auch nachvollziehen können, ob der Stimmzettel tatsächlich ein Kreuz enthält und ob dies bei der Zählung in der Strichliste vermerkt wurde. Aus diesem Grund sei ein durch Tische hergestellter Abstand von zwei Metern unzulässig, zum Schutz der ungehinderten Auszählung genüge ein durch Tische oder Kordel gewährleisteter Abstand von einem Meter. Diese Anforderungen erscheinen gerade bei größeren Betrieben als zu streng und kaum zu gewährleisten. Jedenfalls wird man aber verlangen können, dass die Wahlvorstandsmitglieder sämtliche Tätigkeiten "zur Öffentlichkeit hin" vornehmen, so dass nichts verdeckt wird. Zutreffend ist, dass es für die Herstellung der Öffentlichkeit nicht genügt, wenn die Beobachter die Auszählung von der geöffneten Türe aus beobachten müssen (LAG Köln v. 9.6.2010 – 4 TaBV 105/09, juris).
b) Sitzverteilung auf Listen
Rz. 271
Bei Listenwahl werden zunächst die auf jede Vorschlagsliste entfallenden Stimmen – jeder Arbeitnehmer hat in diesem Fall nur eine Stimme, die er einer Vorschlagsliste geben kann – gezählt. Wie bei öffentlichen Wahlen ist der wirkliche Wählerwille festzustellen. Daher wird die Stimme als gültig zu behandeln sein, wenn ein Arbeitnehmer kein Kreuz, sondern nur einen Strich in den für die Stimme vorgesehenen Kreis gemacht hat oder wenn er einen Kreis vollständig geschwärzt und dafür einen anderen eindeutig angekreuzt hat (LAG Nürnberg v. 24.4.2012 – 6 TaBV 55/11, juris). Anderes gilt, wenn ein Stimmzettel irgendwelche Kennzeichnungen wie Namenszeichen, Bilder oder Ähnliches aufweist; in diesem Fall ist die Stimme als ungültig zu behandeln. Derartige Feststellungen hat der Wahlvorstand durch Beschluss zu treffen und dies zu protokollieren. Der Stimmzettel ist – wie alle Briefwahleingänge, Wahlumschläge oder Stimmzettel, über die der Wahlvorstand (gleich mit welchem Ergebnis) Beschluss gefasst hat, gesondert zu den Wahlunterlagen zu nehmen.
Rz. 272
Anschließend wird – ohne dass bereits jetzt auf den Geschlechterschutz geachtet wird – festgestellt, wie viele Betriebsratssitze auf die jeweiligen Listen entfallen. Die Verteilung erfolgt nach dem d`Hondt`schen Höchstzahlensystem. Obwohl dieses System mathematisch die kleineren Gruppen benachteiligt, ist es verfassungsgemäß und verletzt weder den Grundsatz der Gleichheit der Wahl noch die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Koalitionsfreiheit (BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 35/16, juris). Zu diesem Zweck werden die auf die einzelnen Listen entfallenen Stimmenzahlen nebeneinander notiert und jeweils durch 1, 2, 3 usw. geteilt. Die höchste Zahl ergibt den ersten Sitz, die zweithöchste den zweiten, usw., bis alle Betriebsratssitze verteilt sind.
Rz. 273
Ist die niedrigste noch zu berücksichtigende Höchstzahl mehrfach vorhanden, entscheidet das Los darüber, welche Liste den Sitz erhält. Enthält eine Vorschlagsliste weniger Bewerber, als nach dieser Methode festgestellte Höchstzahlen auf sie entfallen, dann geht der Sitz auf die Liste mit der nächsthöchsten, der höchsten bisher nicht berücksichtigten Zahl über (§ 15 Abs. 1 bis Abs. 3 WO). Der Losentscheid kann bei gleichen Höchstzahlen auch für nicht zum Zug kommende Listenplätze vorgenommen werden; es kann ja sein, dass es für den Eintritt von Ersatzmitgliedern auf eine bestimmte Reihenfolge der Höchstzahlen später noch ankommen kann. Unterlässt der Wahlvorstand einen solchen Losentscheid für nicht zum Zug gekommene Höchstzahlen, kann dieser, falls er wegen des Ausscheidens oder der Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern noch erforderlich wird, auch noch vom Betriebsrat – dem gesamten Gremium – vorgenommen werden.
c) Sitzverteilung auf die Bewerber
Rz. 274
Anschließend, wenn also feststeht, wie viele Sitze die einzelnen Listen erhalten haben, erfolgt die Feststellung, welche Kandidaten tatsächlich in den Betriebsrat einrücken. Dabei werden zunächst (§ 15 Abs. 4 WO) die Bewerber auf jeder Liste berücksichtigt. Je nachdem, wie viele Sitze auf die jeweilige Liste entfallen, bekommen zunächst die Kandidaten Nr. 1, 2, 3 usw. von dieser Liste die Sitze – zunächst ebenfalls ohne Rücksicht auf die Geschlechterverteilung. Erst dann wird geprüft, ob die ausreichende Zahl von Bewerbern des Geschlechtes in der Minderheit in den Betriebsrat eingerückt...