Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
a) Umfassendes Informationsrecht
Rz. 876
§ 80 Abs. 2 BetrVG gewährt dem Betriebsrat ein umfassendes Informationsrecht, ausgestaltet als umfassende Pflicht zur Information durch den Arbeitgeber. Dieses Recht des Betriebsrates ist nicht auf den Aufgabenkatalog nach Abs. 1 der Vorschrift beschränkt. Es gilt mit Bezug auf alle Aufgaben, die der Betriebsrat nach dem BetrVG insgesamt hat. Außer auf die vielfältigen Einzelvorschriften, in denen das BetrVG den Arbeitgeber zur Unterrichtung des Betriebsrates verpflichtet (z.B. die §§ 89 Abs. 2, 90, 92 Abs. 1, 96 Abs. 1, 97, 99 Abs. 1, 100 Abs. 1, 102 Abs. 1, 105, 106 Abs. 1, Abs. 2, 111 Abs. 1), kann sich der Betriebsrat zur Begründung eines Rechtes auf Unterrichtung stets auch auf § 80 Abs. 2 BetrVG berufen (BAG v. 10.10.2006 – 1 ABR 68/05, juris; BAG v. 30.9.2008 – 1 ABR 54/07, juris). Die Regelung ist i.d.S. eine "Auffangvorschrift". Sie soll sicherstellen, dass der Betriebsrat überhaupt in den Stand gesetzt wird, seine Aufgaben wahrzunehmen.
Rz. 877
Der Arbeitgeber ist grds. frei in der Entscheidung, in welcher Form er die begehrte Auskunft des Betriebsrates erfüllt. Insb. bei umfangreichen und komplexen Angaben ist er allerdings regelmäßig gehalten, die Auskunft in Textform zu erteilen, weil es in solchen Fällen bei nur mündlichen Informationen dem Betriebsrat nicht möglich sein wird zu prüfen, ob sich betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben ergeben und wie er diese verantwortlich wahrnehmen kann (BAG v. 10.10.2006 – 1 ABR 68/05, juris; BAG v. 30.9.2008 – 1 ABR 54/07, juris).
b) Aufgabenbezug und Erforderlichkeit
Rz. 878
Inhaltlich begrenzt wird der Unterrichtungsanspruch durch den notwendigen Aufgabenbezug (BAG v. 26.1.1988 – 1 ABR 34/86, juris). Zwar genügt es danach, dass der Betriebsrat die Informationen benötigt, um festzustellen, ob sich Aufgaben oder Mitbestimmungsrechte ergeben und ob er hiervon Gebrauch machen will (BAG v. 19.2.2008 – 1 ABR 84/06, juris). Wenn dieses Mitbestimmungsrecht aber von der Initiative des Arbeitgebers abhängt (wie etwa bei der Prüfung durch Revisoren, ob Arbeitsabläufe verbessert werden sollen, ob Bildungsmaßnahmen empfohlen werden oder ob technische Einrichtungen eingeführt werden sollen), kann der Betriebsrat derartige Auskünfte auch erst dann verlangen, wenn der Arbeitgeber in Richtung der von den Revisoren getätigten Vorschläge tätig wird und konkrete Maßnahmen in Angriff nimmt (BAG v. 27.6.1989 – 1 AZR 404/88, juris). Ausreichend ist, wenn der Betriebsrat die Auskunft benötigt, um überwachen zu können, ob von der Muttergesellschaft des Konzerns vorgegebene Regeln eingehalten werden und ob das Verfahren diskriminierungsfrei und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durchgeführt worden ist (LAG Baden-Württemberg v. 9.4.2014 – 19 TaBV 7/13, juris, für Aktienoptionen und Nachzugsaktien).
Rz. 879
Wegen fehlenden Bezugs zu einem Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat keinen Anspruch darauf, dass ihm alle ab einem bestimmten Zeitpunkt ausgesprochenen Abmahnungen in anonymisierter Form vorgelegt werden (BAG v. 17.9.2013 – 1 ABR 26/12, juris). Auch können Betriebsrat oder Gesamtbetriebsrat nicht über § 80 Abs. 2 BetrVG den in § 110 Abs. 1 BetrVG vorgesehenen Quartalsbericht verlangen, um die Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Lage und die Entwicklung des Unternehmens zu unterrichten; dies gehört nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats (BAG v. 14.5.2013 – 1 ABR 4/12, juris). Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Auskunftsanspruches liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt.
Rz. 880
Nötig ist eine zweistufige Prüfung. Neben der Feststellung, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrates gegeben sein kann, muss die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung im konkreten Einzelfall erforderlich sein (BAG v. 19.2.2008 – 1 ABR 84/06, juris; BAG v. 8.11.2016 – 1 ABR 64/14, juris, für den Anspruch auf die Vorlage von Stichtagserhebungen nach § 4 Abs. 2 Psych-PV). Diese Erforderlichkeit hat der Betriebsrat darzulegen. Erst dann können die Arbeitsgerichte im Streitfall prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen (BAG v. 9.4.2019 – 1 ABR 51/17, juris; BAG v. 8.11.2016 – 1 ABR 64/14, juris; BAG v. 16.8.2011 – 1 ABR 22/11, juris). Für den erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit ist der jeweilige Kenntnisstand des Betriebsrates maßgeblich. Die Anforderungen sind umso niedriger, je weniger der Betriebsrat mit ihm bereits zugänglichen Informationen beurteilen kann, ob die begehrte Auskunft tatsächlich zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist (BAG v. 8.6.1999 – 1 ABR 28/97, juris, für das Verlangen nach Auskunft über die Auswertung einer im Betrieb durchgeführten Umfrage; BAG v. 24.1.2006 – 1 ABR 60/04, juris: verneint bei der Möglichkeit, die begehrten Daten mithilfe einer einfachen Rechenoperation aus bereits vorhandenen Unterlagen selbst zu ermitteln). Die Unterrichtung ist nur erforderlich, wenn sich aus der begehrten Auskunft in der Vergangenheit R...