Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 530
Freigestellte Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes nach dem Lohnausfallprinzip (vgl. Rdn 580 ff.). Das Gesetz geht davon aus, dass auch freigestellte Betriebsratsmitglieder die Betriebsratsarbeit innerhalb ihrer individuellen Arbeitszeit durchführen. Anspruch auf Gutschrift in einem Mehrarbeitszeitkonto besteht nur, wenn das freigestellte Betriebsratsmitglied aus betrieblichen Gründen über seine persönliche Arbeitszeit hinaus erforderliche Betriebsratsarbeit erbringen musste. Nimmt das Betriebsratsmitglied an der Zeiterfassung eines Gleitzeitsystems teil, kann es Überschreitungen im Rahmen des Gleitzeitrahmens ausgleichen, ohne dass es einer besonderen Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs bedarf. Ansonsten verstößt es auch nicht gegen § 78 S. 2 BetrVG, dass das freigestellte Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Ausgleich hat, weil die Überschreitung nicht aus betriebsbedingten Gründen veranlasst ist (BAG v. 28.9.2016 – 7 AZR 248/14, juris).
Rz. 531
Leisten die dem freigestellten Betriebsratsmitglied vergleichbaren Arbeitnehmer, etwa seine früheren Arbeitskollegen, Mehrarbeit, hat das freigestellte Betriebsratsmitglied dennoch keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung; anderes gilt nur dann, wenn das freigestellte Betriebsratsmitglied selbst ohne Freistellung Mehrarbeit geleistet hätte (BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 508/99, juris). Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung bestehen nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied vor der Freistellung regelmäßig Mehrarbeit geleistet hatte und sich in der betreffenden Abteilung an der Mehrarbeit nichts geändert hat oder wenn es aus betriebsbedingten Gründen (vgl. hierzu § 37 Abs. 3 BetrVG) erforderliche Betriebsratstätigkeit über seine Normalarbeitszeit hinaus leistet und diese nicht in Freizeit genommen werden kann (BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 508/99, juris). Da voll freigestellte Betriebsratsmitglieder zur Arbeitsleistung nicht herangezogen werden, erscheinen solche betriebsbedingten Gründe nur in Ausnahmefällen – etwa vom Arbeitgeber gewünschte Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan – denkbar. Für freigestellte Betriebsratsmitglieder gelten auch die Urlaubsregelungen, die anzuwenden wären, wenn sie nicht freigestellt wären (BAG v. 20.8.2002 – 9 AZR 261/01, juris).
Rz. 532
Hinweis
Muss sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, das ohne die Freistellung seine Arbeitsleistungen in seiner Privatwohnung oder im Außendienst erbringen würde, aufgrund seiner Freistellung im Betrieb selbst – etwa im Betriebsratsbüro – aufhalten und entstehen hierdurch Fahrtkosten, die ansonsten nicht entstehen würden, muss der Arbeitgeber diese Kosten dann nicht erstatten, wenn der Arbeitnehmer auch keinen Kostenerstattungsanspruch hätte, würde er den Betrieb zur Erbringung der Arbeitsleistung aufsuchen müssen. Anderes würde auf eine Bevorzugung wegen der Betriebsratstätigkeit hinauslaufen (BAG v. 13.6.2007 – 7 ABR 62/06, juris). Aus diesem Grund hat ein Betriebsratsmitglied, dessen Arbeitszeit im Hinblick auf die Betriebsratstätigkeit einvernehmlich von Nacht- auf Tagschicht verlegt wird, keinen Anspruch auf Nachtarbeits- oder Schichtzuschläge (BAG v. 18.5.2016 – 7 AZR 401/14, juris; LAG Thüringen v. 9.2.2022 – 4 Sa 265/20, juris). Im Übrigen sind freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht verpflichtet, sich vor kostenauslösenden Fahrten aus Anlass erforderlicher Betriebsratstätigkeit diese Fahrten unter Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgabe vom Arbeitgeber genehmigen zu lassen (LAG Berlin-Brandenburg v. 30.1.2014 – 8 TaBV 1052/13, juris). Anspruch auf Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung hat das Betriebsratsmitglied nicht, wenn ihm ohne die Betriebsratsfunktion kein Dienstwagen zugestanden hätte (LAG Berlin-Brandenburg v. 11.2.2020 – 7 Sa 997/19, juris).