Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 498
Wirksame Beschlüsse des Betriebsrates können nur gefasst werden, wenn zu der Sitzung alle Betriebsratsmitglieder rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind (BAG v. 28.4.1988 – 6 AZR 405/86, juris). Das BAG vertritt die Auffassung, § 29 Abs. 2 S. 3 BetrVG gehöre zu den wesentlichen und unverzichtbaren Verfahrensvoraussetzungen, von deren Beachtung die Rechtswirksamkeit der Betriebsratsbeschlüsse abhänge. Will daher der Betriebsrat über die Teilnahme eines Betriebsratsmitgliedes an einer Schulungsveranstaltung "Soziale Angelegenheiten § 87 BetrVG" entscheiden, muss dieser Tagesordnungspunkt bei der Einladung zu der Betriebsratssitzung genannt werden.
Rz. 499
Seine Auffassung, dass der Betriebsrat unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" nur wirksam beschließen könne, wenn er vollständig versammelt ist und kein Betriebsratsmitglied der Beschlussfassung widerspricht (BAG v. 28.10.1992 – 7 ABR 14/92, juris), hat das BAG aufgegeben (15.4.2014 – 1 ABR 2/13 (B), juris; BAG v. 22.11.2017 – 7 ABR 46/16, juris). Auch der 7. Senat hatte erklärt, er halte an seiner anderslautenden Rechtsprechung nicht fest (BAG v. 22.1.2014 – 7 AS 6/13, juris). Die Tagesordnung kann nach dieser jetzigen Rechtsprechung in der Sitzung einvernehmlich ergänzt werden. Es genügt, wenn keines der anwesenden Betriebsratsmitglieder der Aufnahme in die Tagesordnung widerspricht (ausdrückliche Aufgabe insbesondere von BAG v. 24.5.2006 – 7 AZR 201/05, juris). Nicht aufgegeben hat das BAG das Erfordernis, dass sämtliche Betriebsratsmitglieder, einschließlich der erforderlichen Ersatzmitglieder, zur Sitzung geladen sein müssen (BAG, a.a.O.; LAG Hamm v. 24.10.2014 – 13 TaBV 94/13, juris).
Rz. 500
Die Ladung ordentlicher Mitglieder muss auch dann erfolgen, wenn dem Betriebsratsvorsitzenden bekannt ist, dass ein ordentliches Mitglied verhindert ist. Diesem verhinderten Mitglied muss der Vorsitzende die Einladung aber nicht "nachschicken". Es genügt, wenn diese Einladung auf dem üblichen – idealerweise in der Geschäftsordnung des Betriebsrats geregelten – Weg erfolgt. Die Ladung ist natürlich nicht zusätzlich erforderlich bei regelmäßigen Sitzungen, die sich schon aus der Geschäftsordnung ergeben (etwa: Sitzung jeden ersten Mittwoch im Monat um 14.00 Uhr). Zu laden sind die richtigen Ersatzmitglieder – auch wenn es hieran fehlt, sonst kann ein wirksamer Beschluss nicht gefasst werden.
Rz. 501
Ein Beschluss kann nicht wirksam bei gleichzeitiger Anwesenheit des Arbeitgebers oder seines Vertreters gefasst werden. Hier wäre die Gefahr zu groß, dass Betriebsratsmitglieder sich beeinflusst fühlen können. Sitzungen sind nicht öffentlich. Allerdings sind Fehler bei der Beschlussfassung unbeachtlich, wenn sie offensichtlich keinen Einfluss auf das Abstimmungsergebnis haben, was etwa der Fall ist, wenn ein nicht vertretungsberechtigtes Ersatzmitglied an der Sitzung teilgenommen und abgestimmt hat, wobei der Beschluss mit der Mehrheit der Stimmen der Anwesenden auch ohne dieses Ersatzmitglied zustande gekommen wäre (LAG Hessen v. 21.8.2017 – 16 TaBV 302/16, juris).