Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 370
Der Kündigungsschutz nach § 103 BetrVG steht den Ersatzmitgliedern des Betriebsrates nur zu, wenn und solange sie in den Betriebsrat nachgerückt sind. Für die Frage, ob der Schutz nach § 103 Abs. 1 BetrVG gegeben ist – also die Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung erforderlich ist –, ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung abzustellen (BAG v. 27.9.2012 – 2 AZR 955/11, juris). Ein etwa angestrengtes Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG erledigt sich mit dem Ende des Ersatzfalles. Nach jedem Ersatzfall erwerben Ersatzmitglieder den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 2 KSchG mit der Folge, dass sie ein weiteres Jahr nur außerordentlich gekündigt werden können – einer ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats bedarf es dann aber nicht mehr.
Rz. 371
Der Zustimmung nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedarf es nicht, wenn das eigentlich als Ersatz nachgerückte Betriebsratsmitglied selbst über den gesamten Zeitraum des Ersatzfalls wegen Krankheit, Urlaub oder anderer Umstände verhindert ist (a.A. LAG Hamm v. 9.2.1994 – 3 Sa 1376/93, juris). Im Übrigen tritt der Schutz nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG automatisch ein, unabhängig davon, ob das Betriebsratsmitglied davon Kenntnis hat. Dies hat zur Folge, dass eigene Aktivitäten des Ersatzmitgliedes nicht erforderlich sind. Allein die Möglichkeit, dass das Ersatzmitglied solche Tätigkeiten entfalten könnte, genügt (BAG v. 8.9.2011 – 2 AZR 388/10, juris). Der Schutz tritt selbst dann ein, wenn ein angenommener Ersatzfall letztlich doch nicht vorliegt, weil das als verhindert gemeldete ordentliche Mitglied doch zur Betriebsratssitzung erscheinen kann (LAG Hessen v. 20.6.2018 – 6 Sa 1551/17, juris). In diesem Fall haben die Ersatzmitglieder, die an der Sitzung hätten teilnehmen sollen, den Sonderkündigungsschutz nach §§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, 103 Abs. 1 BetrVG in den letzten drei Tagen vor der Sitzung. Der Schutz besteht auch, wenn der Betriebsratsvorsitzende den Ersatzfall nur angenommen hat, soweit kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Betriebsratsvorsitzenden bzw. kein rechtsmissbräuchliches Zusammenwirken von Betriebsratsvorsitzendem und dem Ersatzmitglied anzunehmen ist (BAG v. 12.2.2004 – 2 AZR 163/03, juris). Anderes gilt für den nachwirkenden Schutz nach § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG. Dieser besteht nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat; bloß fiktive, in Wirklichkeit unterbliebene Aktivitäten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz grds. nicht aus (BAG v. 19.4.2012 – 2 AZR 233/11, juris; auch Fitting, § 103 Rn 53 m.w.N.). Daneben bleibt der Kündigungsschutz nach §§ 15 Abs. 1 S. 1 KSchG, 103 Abs. 1 BetrVG des verhinderten Betriebsratsmitglieds bestehen.