Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 613
Durch die Verweisung auf § 37 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG stellt § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG klar, dass die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln, zu den Aufgaben des Betriebsrates gehört. Hat der Betriebsrat daher die Teilnahme ordnungsgemäß beschlossen, ist das betreffende Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat ggü. auch verpflichtet, an der Schulungsveranstaltung teilzunehmen; praktische Konsequenzen hat eine Verweigerung der Teilnahme jedoch nicht, ein Verfahren auf Amtsenthebung nach § 23 Abs. 1 BetrVG wegen der Weigerung, sich schulen zu lassen, ist eher theoretischer Natur.
a) Einschätzungsspielraum des Betriebsrats
Rz. 614
Es muss sich um Bildungs- und Schulungsveranstaltungen handeln, die für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln. Dies ist der Fall, wenn die zu erwerbenden Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Situation im Betrieb und im Betriebsrat benötigt werden, damit die Betriebsratsmitglieder ihre derzeitigen oder demnächst anfallenden gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können. Für die Frage, ob die konkreten Aufgaben des einzelnen Betriebsratsmitgliedes seine Schulung erforderlich machen, ist darauf abzustellen, ob nach den Verhältnissen des einzelnen Betriebes Fragen anstehen oder absehbar in naher Zukunft anstehen werden, die der Beteiligung des Betriebsrates unterliegen und für die im Hinblick auf den Wissensstand des Betriebsrates eine Schulung eines Betriebsratsmitgliedes unter Berücksichtigung der Aufgabenverteilung im Betriebsrat erforderlich erscheint, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (vgl. z.B. LAG Hessen v. 16.6.2011 – 9 TaBV 126/19, juris).
Rz. 615
Hinweis
Der Arbeitgeber hat die Kosten der Schulung hiernach selbst dann zu tragen, wenn diese objektiv nicht erforderlich gewesen wäre, der Betriebsrat sie aber aus seiner damaligen Sicht heraus mit der Einschätzung eines verständigen Betriebsratsmitglieds für erforderlich halten durfte. Dies wird allerdings nur dann gelten, wenn der Betriebsrat diesen Beurteilungsspielraum ausgeschöpft hat. Im Bestreitensfall muss er dies in einem entsprechenden gerichtlichen Verfahren im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht darlegen. Hierzu gehört die Prüfung anhand der Schulungsangebote, ob eine früher besuchte Schulung des Betriebsratsmitglieds nicht dieselben oder ähnliche Kenntnisse vermittelt hat. Hat der Arbeitgeber der Teilnahme zeitnah und mit sachlichen Gründen versehen widersprochen, spricht vieles dafür, dass das Betriebsratsgremium über die Berücksichtigung dieser Einwendungen nochmals beraten und beschließen muss (so jedenfalls LAG Nürnberg v. 1.9.2009 – 6 TaBV 18/09, juris).
b) Grundkenntnisse
Rz. 616
Dabei ist die Vermittlung von Grundkenntnissen stets als erforderlich anzusehen. Durch diese soll das Betriebsratsmitglied in die Lage versetzt werden, seine sich aus der Amtsstellung ergebenden Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen; eine besondere Darlegung der Erforderlichkeit ist für solche Grundschulungen über Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder im Bereich der Arbeitssicherung und Unfallverhütung nicht nötig (st. Rspr., vgl. BAG v. 28.9.2016 – 7 AZR 699/14, juris; BAG v. 7.5.2008 – 7 AZR 90/07, juris). Auch Regelungen zum AGG gehören zu den erforderlichen Grundkenntnissen (Fitting, § 37 Rn 144). Vieles spricht dafür, dass angesichts seiner Bedeutung für die Arbeit innerhalb und außerhalb des Betriebsrats auch Kenntnisse über den zu beachtenden Datenschutz zu den Grundkenntnissen zu zählen sein werden.
Rz. 617
Bei erstmals gewählten Betriebsratsmitgliedern ist die Vermittlung von Grundkenntnissen des Arbeitsrechts, des Betriebsverfassungsrechts und über die Arbeitssicherheit und Unfallverhütung ohne nähere Darlegung erforderlich. Für andere Schulungsveranstaltungen muss ein aktueller, betriebsbezogener Anlass für die Annahme bestehen, dass die in der Schulungsveranstaltung zu erwerbenden besonderen Kenntnisse derzeit oder in naher Zukunft von dem zu schulenden Betriebsratsmitglied benötigt werden, damit der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte sach- und fachgerecht ausüben kann (st. Rspr., vgl. BAG v. 28.9.2016, 7 AZR 699/14, juris; BAG v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12, juris; BAG v. 20.8.2014 – 7 ABR 64/12, juris; BAG v. 18.1.2012 – 7 ABR 73/10, juris). Für diese hängt es also von den betrieblichen Umständen und von den Vorkenntnissen innerhalb des Betriebsratsgremiums ab, ob eine Schulungs- und Bildungsveranstaltung als erforderlich anzusehen ist.
Rz. 618
Hinweis
Das BAG geht im Beschl. v. 7.6.1989 (7 ABR 26/88, juris) davon aus, dass jeweils zweiwöchige Schulungen zum Arbeitsrecht, zur Arbeitssicherheit und Unfallverhütung einerseits und zur Einführung in die Betriebsverfassung andererseits, selbst wenn diese vom Veranstalter als Stufe I und Stufe II bezeichnet werden, ohne weitere Darlegungen bei einem erstmals gewählten Betriebsratsmitglied als erforderlich anzusehen sind.
Rz. 619
Allerdings ist die G...