Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 628
Die zum BetrVG 1972 sehr streitige, durch BAG v. 5.3.1997 – 7 AZR 581/92, juris, letztlich abschlägig entschiedene Frage, ob teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder bei der Teilnahme an Schulungen, die in Vollzeit stattfinden, nur ihr regelmäßiges (Teilzeit-)Entgelt oder auch Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 BetrVG beanspruchen können, ist seit 2001 durch die in § 37 Abs. 6 S. 1 BetrVG normierte Änderung zugunsten der Teilzeitkräfte gesetzlich festgelegt. Danach gilt bei Schulungen jetzt neben § 37 Abs. 2 auch § 37 Abs. 3 BetrVG. Sämtliche Betriebsratsmitglieder haben Anspruch auf Freizeitausgleich, wenn die Schulungsmaßnahme über die persönliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitgliedes hinausgeht. Allerdings muss die Abweichung durch betriebsbedingte Gründe i.S.d. Abs. 3 verursacht sein, was insb. bei einer von der Normalarbeitszeit abweichenden Arbeitszeitgestaltung anzunehmen ist (§ 37 Abs. 2 S. 2, § 37 Abs. 6 S. 2 BetrVG). Der Umfang des Freizeitausgleiches ist nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (Abs. 6 S. 2 Hs. 2) beschränkt pro Schulungstag auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.
Rz. 629
Dabei ist ein Arbeitnehmer dann als vollzeitbeschäftigt i.S.d. § 37 Abs. 6 BetrVG anzusehen, wenn er einen Arbeitsvertrag über die einem Arbeitstag üblicherweise entsprechende Zeit hat. Dabei wird die übliche Lage der Arbeitszeit durch die im Betrieb allgemein festgelegte Verteilung auf die einzelnen Wochentage bestimmt. Abweichungen hiervon stellen eine Besonderheit dar, die zum Ausgleich führen kann. Dabei muss die betriebsübliche Arbeitszeit nicht für den gesamten Betrieb einheitlich geregelt sein, sie kann für verschiedene Arbeitsbereiche oder Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein. Abzustellen ist auf den Bereich, dem das Betriebsratsmitglied angehört. Abzustellen ist also auf die konkrete Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers der Abteilung am konkreten Schulungstag.
Rz. 630
Dabei können auch Wege-, Fahrt- und Reisezeiten als auszugleichende Zeiten angesehen werden; dies setzt allerdings voraus, dass gerade die Teilzeittätigkeit Ursache dafür ist, dass die Reise außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wurde. Daran fehlt es, wenn die Reise auch dann außerhalb der Arbeitszeit stattgefunden hätte, wenn das Betriebsratsmitglied vollzeitbeschäftigt gewesen wäre (BAG v. 10.11.2004 – 7 AZR 131/04, juris).
Rz. 631
Zu berücksichtigen ist für den Ausgleichsanspruch die zwischen Schulungsbeginn und -ende des jeweiligen Tages liegende Zeit; ein Abzug von Pausen ist nicht gerechtfertigt (instruktiv BAG v. 16.2.2005 – 7 AZR 330/04, juris). Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber überwiegend oder nahezu ausschließlich Teilzeitkräfte beschäftigt, wenn eine übliche Vollzeitbeschäftigung im Betrieb, in der Abteilung, hilfsweise nach dem einschlägigen Tarifvertrag oder innerhalb der Branche festzustellen ist (LAG Nds. v. 12.9.2008 – 12 Sa 903/08, juris).
Rz. 632
Beispiel
Der Ausgleich ist nicht auf Teilzeitbeschäftigte beschränkt. Ist ein vollzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied abweichend von der betriebsüblichen Arbeitszeit von acht Stunden täglich an vier Wochentagen je neun Stunden tätig, am Mittwoch aber nur vier Stunden, und nimmt es an einer jeweils ganztägigen Schulung von Montag bis Donnerstag teil, dann hat es Anspruch auf Zahlung von je neun Stunden für Montag, Dienstag und Donnerstag und am Mittwoch für vier Stunden nach § 37 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 BetrVG. Daneben hat es Anspruch auf Freizeitausgleich i.H.v. weiteren vier Stunden für Mittwoch. Dauert die Schulungsveranstaltung dagegen – unter Einschluss der Pausen – nur sechss Stunden pro Schulungstag, so ändert sich im Fall einer auswärtig stattfindenden Maßnahme, die einer Rückkehr in den Betrieb entgegensteht, jedenfalls für Montag, Dienstag und Donnerstag nichts. Für Mittwoch beträgt der Ausgleichsanspruch allerdings nur zwei Stunden, obwohl diejenigen Betriebsratsmitglieder, die am Mittwoch ohne die Schulung acht Stunden arbeiten würden, bei auswärtigen Schulungen diese acht Stunden nach Abs. 2 von ihrer Arbeit freigestellt werden, also letztlich acht Stunden bezahlt bekommen.