Rz. 1080

Nach § 97 BetrVG hat der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat die Errichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Berufsbildung, die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und die Teilnahme an außerbetrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen zu beraten. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit § 92 BetrVG, der die (meist vorgeschaltete) Personalplanung betrifft.

 

Rz. 1081

Betriebliche Berufsbildungsmaßnahmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie unabhängig von dem Ort der Durchführung vom Betrieb getragen werden. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber Träger bzw. Veranstalter der Bildungsmaßnahme ist und die Berufsbildungsmaßnahme für bei ihm angestellte Arbeitnehmer durchführt (BAG v. 26.4.2016 – 1 ABR 21/14, juris). Sie können auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber lediglich beherrschenden Einfluss auf Maßnahmen hat, die in Zusammenarbeit mit Dritten durchgeführt werden (BAG v. 10.2.1988 – 1 ABR 39/86, juris). Allerdings fehlt es an der funktionellen Betriebsbezogenheit der Maßnahme, wenn ausschließlich externe Arbeitnehmer betreffende Schulungen und Fortbildungen stattfinden; diese erfolgen nicht für den Betrieb des Arbeitgebers (BAG v. 26.4.2016 – 1 ABR 21/14, juris; LAG Berlin-Brandenburg v. 2.9.2022 – 1 TaBV 773/22, juris, für gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildungen der Rettungsdienste außerhalb des Betriebs ohne bestimmenden Einfluss des Arbeitgebers).

 

Rz. 1082

Dem Betriebsrat steht i.R.d. § 97 Abs. 1 BetrVG nur das Recht zu, mit dem Arbeitgeber über derartige Maßnahmen zu beraten. Er kann den Arbeitgeber nicht zu einer bestimmten Einrichtung zwingen. Auch kann der Arbeitgeber jederzeit von einer geplanten Maßnahme wieder Abstand nehmen; zwar besteht das Beratungsrecht bei vom Arbeitgeber beabsichtigten Änderungen, nicht aber bei der Abschaffung von Einrichtungen (h.M., etwa Fitting, § 97 Rn 4; a.A. Löwisch/Dahm, § 97 Rn 4, jeweils m.w.N.). Das Beratungsrecht des Betriebsrates hinsichtlich der Teilnahme an außerbetrieblichen Maßnahmen bezieht sich sowohl auf die Auswahl der Bildungseinrichtungen als auch auf die Auswahl der weiterzubildenden Arbeitnehmer des Betriebes.

 

Rz. 1083

Durch das BetrVG-ReformG 2001 ist Abs. 2 bei § 97 BetrVG eingefügt worden. Dieser gewährt dem Betriebsrat ein volles Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen, wenn die geplanten oder bereits durchgeführten Maßnahmen dazu führen, dass sich die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer ändert. Anknüpfungspunkt kann jede Maßnahme des Arbeitgebers sein, die die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmer verändert. Eine die Mitbestimmungspflicht auslösende Maßnahme kann aber andererseits nur in solchen Maßnahmen gesehen werden, die nicht ausschließlich einen Einzelfall betreffen. Es muss ein abstraktes Regelungsbedürfnis bestehen.

 

Rz. 1084

Die Veränderung der Tätigkeit muss dazu führen, dass die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten der betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr ausreichen, um ihre Aufgaben noch erfüllen zu können. Die erforderlichen Fertigkeiten müssen über Berufsbildungsmaßnahmen i.S.d. §§ 96 ff. BetrVG erreichbar sein.

 

Rz. 1085

Die Vorschrift bezweckt eine frühzeitige und präventive Eingriffsmöglichkeit des Betriebsrates zur Durchsetzung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen, um die Beschäftigung der betroffenen Arbeitnehmer zu sichern. Eine entsprechende Fortbildung und Schulung soll die Weiterbeschäftigung gewährleisten. Nach dem Wortlaut entsteht das Mitbestimmungsrecht frühestens dann, wenn die Planung steht, aufgrund derer die Tätigkeit des Arbeitnehmers sich tatsächlich ändern soll. Es besteht spätestens, wenn die Durchführung der Maßnahme zu einer solchen Veränderung führt. Das Mitbestimmungsrecht aus § 97 Abs. 2 BetrVG bezieht sich nur auf das "Ob" von betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen. Das "Wie" richtet sich weiterhin nach § 98 BetrVG.

 

Rz. 1086

§ 97 Abs. 2 BetrVG muss im Zusammenhang mit § 81 und § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG gesehen werden. Zum einen besteht ein Mitbestimmungsrecht dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Defizite der Arbeitnehmer durch bloße Unterrichtung beseitigen kann. Zum anderen besteht ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Betriebsrat einer Kündigung nach § 102 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG widersprechen könnte (vgl. im Einzelnen Franzen, NZA 2001, 867).

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