Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1223
Der Betriebsrat kann bei wiederholten Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten nach § 99 BetrVG den Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG ggü. dem Arbeitgeber stellen. Ein solcher Anspruch setzt kein aktuelles Einstellungsverfahren, sondern nur einen begangenen – groben – Verstoß und die Möglichkeit einer Wiederholung voraus (BAG v. 17.3.1987 – 1 ABR 65/85, juris; BAG v. 19.1.2010 – 1 ABR 62/08, juris).
Rz. 1224
Bei Streitfragen können Arbeitgeber oder Betriebsrat die Feststellung beantragen, dass für die Maßnahme kein Mitbestimmungsrecht besteht, also keine Einstellung oder Versetzung vorliegt (BAG v. 22.9.2021 – 7 ABR 13/20, juris). Sie können auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts in "solchen" Konstellationen betreiben (sog. abstrakter Feststellungsantrag). Auch hierfür genügt – ohne dass ein grober Verstoß vorliegen muss – die Möglichkeit, dass die Streitfrage im Betrieb nochmals auftaucht. In diesem Zusammenhang ist auch ein Feststellungsantrag mit dem Inhalt möglich, dass für eine "solche" (erledigte) als vorläufig i.S.d. § 100 BetrVG durchgeführte Maßnahme ein dringendes Erfordernis nicht besteht (so mit Recht, in der Begründung aber ungenau DKW/Bachner/Wenckebach, § 100 Rn 35).
Rz. 1225
Fraglich ist, ob der Betriebsrat über § 101 BetrVG hinaus auch einen "allgemeinen Unterlassungsanspruch" oder "allgemeinen Beseitigungsanspruch" geltend machen kann, die im Wege einstweiliger Verfügung verwirklicht werden können. Das BAG hatte diese Frage offengelassen; es konnte dies tun, weil entweder der vom Betriebsrat gerügte betriebsverfassungswidrige Zustand nicht bestand oder der Antrag "zu global" war, also auch Fallgestaltungen umfasste, bei denen ein Mitbestimmungsrecht nicht bestand (BAG v. 6.12.1994 – 1 ABR 30/94, juris; BAG v. 13.3.2001 – 1 ABR 34/00, juris; BAG v. 13.3.2007 – 1 ABR 22/06, juris; BAG v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, juris). In der Entscheidung vom 23.6.2009 (1 ABR 23/08, juris) hat es sich im Hinblick auf die in §§ 100 und 101 BetrVG normierten Wertentscheidungen des Gesetzgebers gegen das Bestehen eines solchen Unterlassungsanspruchs entschieden (Einzelheiten vgl. Rdn 1448 ff.).
Rz. 1226
Der Anspruch des Betriebsrates auf Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG entfällt, wenn der Arbeitgeber eine denselben Arbeitnehmer betreffende neue personelle Maßnahme durchführt. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz weiterbeschäftigt wird. Einer zeitweiligen Unterbrechung der Beschäftigung auf diesem Arbeitsplatz bedarf es nicht (LAG Hessen v. 27.11.2007 – 4 TaBV 111/07, juris).
Rz. 1227
Der Betriebsrat hat kein rechtliches Interesse an der Feststellung, ihm habe bei einer bereits endgültig durchgeführten Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht zugestanden ("konkreter" Feststellungsantrag). Im Hinblick auf die Möglichkeit, nach § 101 BetrVG vorzugehen, ist ein solcher Antrag unzulässig (BAG v. 15.4.2008 – 1 ABR 14/07, juris).
Rz. 1228
Unterlassungsansprüche müssen für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennen lassen, welcher Handlungen dieser sich enthalten soll. Die Prüfung, welche Handlungen er unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen entsprechend ungenauen gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, juris).