Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1105
Das Mitbestimmungsrecht steht grds. dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat zu, nicht dem Gesamtbetriebsrat. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Betriebe betroffen sind (BAG v. 26.1.1993 – 1 AZR 303/92). Der Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG nur für solche Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen. Eine Einstellung eines Arbeitnehmers betrifft aber die Belegschaft desjenigen Betriebs, in den die Einstellung erfolgen soll; in diesem Betrieb hat der örtliche Betriebsrat für die Wahrnehmung der Interessen der von ihm repräsentierten Arbeitnehmer zu sorgen (ausdrücklich BAG v. 12.6.2019 – 1 ABR 5/18, juris Rn 35; BAG v. 22.10.2019 – 1 ABR 13/18, juris Rn 11). Wird etwa ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in mehreren Betriebsstätten eingesetzt, in denen jeweils ein Betriebsrat gebildet ist, sind die verschiedenen Betriebsräte für sich zu beteiligen, und zwar selbst dann, wenn ein Ringtausch der Arbeitnehmer die Regel ist.
Rz. 1106
Hinweis
Ob dies auch für die Beteiligung nach § 99 BetrVG bei Eingruppierung gilt, ist zweifelhaft. Hier geht es um die Feststellung, welche konkreten Aufgaben der Arbeitnehmer im Betrieb verrichtet und welcher Vergütungsgruppe diese zuzuordnen sind. Andererseits hat eine Gesamtbewertung der Tätigkeit zu erfolgen. Man könnte daran denken, bei der Frage der Eingruppierung nach § 99 BetrVG nur denjenigen Betriebsrat zu beteiligen, bei dem der Schwerpunkt der Aufgabenerfüllung liegt. Mehr dürfte dafür sprechen, in solchen Konstellationen eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG anzunehmen. Diese Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats erwägt das BAG (Urt. v. 16.12.2010 – 2 AZR 576/09, juris) auch für die Beteiligung bei Kündigungen in einer Konstellation, in der ein Arbeitnehmer zwei Betrieben gleichzeitig zugeordnet ist; das BAG lässt dies in den Entscheidungen vom 12.6.2019 und vom 22.10.2019 (Rdn 1105) offen. Zumindest wenn der Schwerpunkt der Tätigkeit zu einem bestimmten Betrieb gehört, dürfte dessen Betriebsrat zuständig bleiben. Die bloße vertragliche Möglichkeit, den Arbeitnehmer in einem anderen Betrieb einzusetzen, ändert die Zuständigkeit des Beschäftigungsbetriebsrats jedenfalls nicht.
Rz. 1107
Soll ein Arbeitnehmer von einer Organisationseinheit, in der ein Betriebsrat besteht, in eine andere versetzt werden, müssen beide Betriebsräte beteiligt werden, der eine (im sog. "abgebenden Betrieb"), weil es sich aus seiner Sicht um eine Versetzung handelt, der andere (im sog. "aufnehmenden Betrieb"), weil bei ihm eine Einstellung vorliegt. Die von vornherein geplante Rückkehr des Arbeitnehmers in den abgebenden Betrieb ist nicht mehr gesondert mitbestimmungspflichtig. Insoweit liegt für den abgebenden Betrieb eine einheitliche Maßnahme vor (BAG v. 14.11.1989 – 1 ABR 87/88, juris). Vor der Maßnahme müssen beide Betriebsräte zustimmen (oder es muss die Zustimmung als erteilt gelten oder ersetzt sein), außer es handelt sich um eine Eilmaßnahme, bei der der Arbeitgeber die Maßnahme vorläufig nach § 100 BetrVG durchführt und beide Betriebsräte nach § 100 BetrVG beteiligt.
Rz. 1108
Auf die Zustimmung zur Versetzung des Betriebsrates des "abgebenden Betriebes" kann – der Arbeitnehmer könnte ja auch einen Aufhebungsvertrag hinsichtlich des abgebenden Betriebes und einen neuen Arbeitsvertrag für den aufnehmenden Betrieb schließen, wobei der Betriebsrat am Aufhebungsvertrag nicht zu beteiligen wäre – nur dann verzichtet werden, wenn der Arbeitnehmer mit dieser konkreten Versetzungsmaßnahme einverstanden ist, d.h. wenn er die Versetzung selbst gewünscht hat oder diese seinen Wünschen und seiner freien Entscheidung entspricht (BAG v. 14.6.2022 – 1 ABR 13/21, juris; BAG v. 20.9.1990 – 1 ABR 37/90, juris; BAG 26.1.1993 – 1 AZR 303/92, juris). Es genügt aber nicht, wenn der Arbeitnehmer diese Versetzung nur hinnimmt (BAG v. 9.10.2013 – 7 ABR 1/12, juris). Vor Versetzungen von Betriebsratsmitgliedern, die hierdurch ihre Stellung als Betriebsrat verlieren würden, bedarf es der Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 3 BetrVG.
Hinweis
Bei der Einstellung von Mitarbeitern im Rahmen bestehender Dienstpläne ist neben dem Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 BetrVG auch die zusätzliche Einigung mit dem Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zur Aufnahme in diese Pläne nötig, wenn diese Pläne die Arbeitnehmer namentlich den Schichten zuordnen (BAG v. 22.8.2017 – 1 ABR 4/16, juris, mit dem Hinweis, dass die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und nach §§ 99, 100 BetrVG nebeneinanderstehen). Dies ist misslich, weil der Betriebsrat in derartigen Konstellationen die Beschäftigung neu eingestellter Arbeitnehmer trotz der dort vorgesehenen Möglichkeit der vorläufigen Durchführung in dringenden Fällen verhindern kann. Nach BAG soll in solchen Fällen auch ein kollektiver Tatbestand gegeben sein, weil die Festlegung der Lage der Arbeitszeit bei neu eingestellten Arbeitnehmern nicht nur deren Interesse, sondern auch da...