Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 1368
Der Sozialplan regelt die Folgen einer bestimmten Betriebsänderung. Aus diesem Zweck ergibt sich, dass er grds. – soweit nichts Gegenteiliges vereinbart ist – nicht mit der Folge des Wegfalls der dort geregelten Leistungen gekündigt werden kann. Zulässig ist es jedoch, dass die Betriebspartner einen Sozialplan einvernehmlich für die Zukunft abändern (BAG v. 15.4.2008, NZA-RR 2008, 580; BAG v. 10.8.1994, NZA 1995, 314 = DB 1995, 480 = BB 1995, 1240). Soweit in bereits bestehende Besitzstände der Arbeitnehmer eingegriffen wird, sind allerdings die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten (BAG v. 19.2.2008 – 1 AZR 1004/06, NZA 2008, 719 = DB 2008, 1384).
Rz. 1369
Anders ist es bei Sozialplänen, die Dauerregelungen enthalten, wobei Dauerregelungen nur solche Bestimmungen sind, nach denen ein bestimmter wirtschaftlicher Nachteil durch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit laufende Leistungen ausgeglichen oder gemildert werden soll. Diese können gekündigt werden, jedoch gelten ihre Regelungen bis zum Abschluss einer neuen Regelung fort (BAG v. 24.3.1981 – 1 AZR 805/78, NJW 1982, 70 = DB 1981, 2178 = BB 1982, 250 = SAE 1982, 76 m. Anm. Mayer-Maly). Die ersetzende Regelung kann Ansprüche der Arbeitnehmer, die vor dem Wirksamwerden der Kündigung entstanden sind, nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abändern. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer aufgrund bestimmter Umstände nicht mehr auf den unveränderten Fortbestand des Sozialplans vertrauen konnten (BAG v. 10.8.1994 – 10 ABR 61/93, NZA 1995, 314 = DB 1995, 480 = BB 1995, 1240).
Rz. 1370
Ist die Geschäftsgrundlage eines Sozialplans weggefallen und ist einem Betriebspartner das Festhalten am Sozialplan mit dem bisherigen Inhalt nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten, so können die Betriebspartner die Regelungen des Sozialplans den veränderten tatsächlichen Umständen anpassen (§ 313 BGB). Verweigert der andere Betriebspartner die Anpassung, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich. Die anpassende Regelung kann aufgrund des anzupassenden Sozialplans schon entstandene Ansprüche der Arbeitnehmer auch zu deren Ungunsten abändern. Insoweit genießen die Arbeitnehmer keinen Vertrauensschutz (BAG v. 10.8.1994 – 10 ABR 61/93, NZA 1995, 314 = DB 1995, 480 = BB 1995, 1240).
Rz. 1371
Davon zu unterscheiden sind sog. vorsorgliche Sozialpläne. Das sind Sozialpläne, die im Voraus für alle künftigen Betriebsänderungen aufgestellt werden. Sie können nur freiwillig vereinbart, nicht aber von der Einigungsstelle beschlossen werden. Die Betriebspartner (Betriebsrat und Arbeitgeber) können insb. für noch nicht geplante, aber in groben Umrissen schon abschätzbare Betriebsänderungen einen Sozialplan in Form einer freiwilligen Betriebsvereinbarung aufstellen oder bei Auftragsverlust vorsorglich für den Fall, dass kein Betriebsübergang gegeben ist, einen Sozialplan vereinbaren (BAG v. 1.4.1998 – 10 ABR 17/97, NZA 1998, 768 = DB 1998, 1471 = BB 1998, 1588). Darin liegt noch kein (unzulässiger) Verzicht auf künftige Mitbestimmungsrechte. Zu beachten ist, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 112 BetrVG im Fall des Eintritts einer späteren entsprechenden Betriebsänderung verbraucht ist. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass in dem vorsorglichen Sozialplan wirksame Regelungen abgeschlossen wurden (BAG v. 26.8.1997 – 1 ABR 12/97, NZA 1998, 216 = DB 1998, 265 = BB 1998, 371).
Rz. 1372
Hinweis
Solche vorsorglichen Sozialpläne können nach § 77 Abs. 5 BetrVG ohne Nachwirkung gekündigt werden. Sie gelten dann nur für Betriebsänderungen, die während ihrer Geltungsdauer durchgeführt worden sind. Solche vorsorglichen Sozialpläne entbinden den Arbeitgeber jedoch nicht davon, bei jeder Betriebsänderung den Betriebsrat zu beteiligen und einen Interessenausgleich zu versuchen (BAG v. 29.11.1983, NJW 1984, 1650 = DB 1984, 724 = SAE 1984, 257 m. Anm. Kraft).
Rz. 1373
Hat der Arbeitgeber mit der Durchführung einer geplanten Betriebsstilllegung durch Kündigung aller Arbeitsverhältnisse begonnen, so entfällt die Geschäftsgrundlage des für die Betriebsstilllegung vereinbarten Sozialplanes, wenn alsbald nach Ausspruch der Kündigungen der Betrieb von einem Dritten übernommen wird, der sich bereit erklärt, alle Arbeitsverhältnisse zu den bisherigen Bedingungen fortzuführen. In einem solchen Fall ist der Sozialplan, der allein für den Verlust der Arbeitsplätze Abfindungen vorsah, den veränderten Umständen anzupassen (BAG v. 28.8.1996 – 10 AZR 886/95, NZA 1997, 109 = DB 1997, 100 = BB 1996, 2624).