Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 32
Voraussetzung für die Wahl eines Betriebsrates ist nach § 1 BetrVG die Mindestgröße von mindestens fünf "in der Regel" beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind (Einzelheiten zum Begriff "in der Regel" vgl. Rdn 85 ff. und zu Wahlberechtigung und Wählbarkeit Rdn 146 ff.). Teilzeitbeschäftigte, selbst geringfügig Beschäftigte, zählen im Gegensatz etwa zum KSchG als volle Kräfte. Zu beachten ist, dass nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG mitarbeitende Ehegatten, Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben, i.S.d. Betriebsverfassungsrechts ebenso wie leitende Angestellte nach § 5 Abs. 3 BetrVG gar nicht als Arbeitnehmer gelten.
aa) Betriebsteile
Rz. 33
Als Betriebe, in denen eigene Betriebsräte zu wählen sind, gelten nach § 4 BetrVG auch Betriebsteile, wenn in ihnen mindestens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, von denen drei wählbar sind. Weitere Voraussetzung ist, dass sie räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind oder – wenn dies nicht der Fall ist – durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Ein Betriebsteil ist auf den Zweck des Hauptbetriebes ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm ggü. aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbstständigt.
Rz. 34
Hinweis
Abzugrenzen ist der Betriebsteil in zweierlei Richtungen:
▪ |
vom selbstständigen Betrieb |
▪ |
vom unselbstständigen Teil (etwa räumliche Zusammenfassung mehrerer Arbeitnehmer) einer anderen betrieblichen Einheit |
bb) Abgrenzung zum Betrieb
Rz. 35
Für die Differenzierung zwischen Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbstständigung entscheidend, der im Umfang der Leitung der organisatorischen Einheit zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf die wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten, handelt es sich um einen selbstständigen Betrieb. Für das Vorliegen eines Betriebsteils i.S.v. § 4 Abs. 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. Zu einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Einheit wird ein derartiger Betriebsteil jedoch erst unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 (räumlich weite Entfernung vom Hauptbetrieb) oder Nr. 2 (Eigenständigkeit durch Aufgabenbereich und Organisation) BetrVG (BAG v. 26.5.2021 – 7 ABR 17/20, juris; BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, juris: 11 km vom Hauptbetrieb entfernter Produktionsstandort; BAG v. 17.1.2007 – 7 ABR 63/05, juris: Kinderhort als selbstständiger Kleinbetrieb).
Rz. 36
Ein Betriebsteil zeichnet sich dadurch aus, dass er über einen eigenen Arbeitnehmerstamm, über eigene technische Hilfsmittel und durch die räumliche und funktionale Abgrenzung vom übrigen Betrieb über eine bedingte relative Selbstständigkeit verfügt; andererseits fehlt ihm ein Leitungsapparat, um insb. in personellen oder sozialen Angelegenheiten wesentliche Entscheidungen selbstständig treffen zu können (sonst würde es sich ja um einen Betrieb, nicht um einen Betriebsteil handeln; für den nicht notwendig identischen Betriebsbegriff des Kündigungsrechts BAG v. 21.6.1995 – 2 AZR 693/94, juris). So genügt die Entscheidungsbefugnis von Filialleitern auf dem Gebiet der Personaleinsatzplanung und der Arbeitszeitgestaltung sowie über Prämien nicht für die Annahme einer für einen Betrieb – in Abgrenzung zum Betriebsteil – ausreichenden Selbstständigkeit (LAG Düsseldorf v. 4.9.2008 – 11 TaBV 103/07, juris). Ob und inwieweit einheitliche Leitungsapparate oder verschiedene Leitungen tätig werden, obliegt der Organisationshoheit des Arbeitgebers. Ihm kann nicht verwehrt werden, eine Neustrukturierung der Leitungsbefugnisse vorzunehmen (LAG Düsseldorf v. 22.10.2008 – 7 TaBV 85/08, juris).
cc) Mindestmaß an Organisation
Rz. 37
Ein Betriebsteil – und kein unselbstständiger Teil einer anderen betrieblichen Einheit – liegt vor bei einem Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit ggü. dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 17.5.2017 – 7 ABR 21/15, juris; BAG v. 7.5.2008 – 7 ABR 15/07, juris). Es genügt eine Person mit Leitungsmacht, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt (BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 38/08, juris: Kindergärten mit eigener Leitung genügen; BAG v. 19.2.2002 – 1 ABR 26/01, juris: Geschäftsstelle mit eigener Büroleiterin genügt; BAG v. 28.6.1995 – 7 ABR 59/94, juris: Büro als Anlaufstelle für Monteure im Außendienst genügt nicht; LAG Schleswig-Holstein v. 20.1.2010 – 6 TaBV 39/09, juris: Betriebshof für Busse und Fahrzeuge einer Verkehrsgesellschaft als Betriebsteil; weitere Beispiele bei DKW/Trümner, § 4 Rn 42 ff.). Da...