Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
Rz. 486
Auch wenn es um die Versetzung oder Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes geht, ist dieses Betriebsratsmitglied, weil befangen, als verhindert anzusehen. Wenn der Betriebsrat also gegen die Versetzung oder Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden einstimmig (z.B. mit acht von neun Stimmen, weil der Vorsitzende während der Abstimmung den Raum verlassen hatte) Widerspruch einlegt, ist dieser Widerspruch trotzdem unwirksam und unbeachtlich, weil versäumt worden ist, für diesen Tagesordnungspunkt – und zwar für Beratung und Abstimmung – ein Ersatzmitglied zu laden (BAG v. 3.8.1999 – 1 ABR 30/98, juris). Das BAG erwägt, davon allenfalls dann eine Ausnahme zu machen und den Beschluss vielleicht für wirksam anzusehen, wenn der Beschluss gegen die Interessen des betroffenen Betriebsratsmitgliedes ausgefallen ist, etwa der Betriebsrat einer Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 103 BetrVG zugestimmt hat. Dem ist in vollem Umfang zuzustimmen. Letztlich hat das BAG diese Frage aber nicht entschieden.
Rz. 487
Befangen ist das Betriebsratsmitglied auch, wenn es um personelle Maßnahmen geht, die seinen Ehepartner betreffen (LAG Düsseldorf v. 16.12.2004 – 11 TaBV 79/04, juris). Ein Betriebsratsmitglied ist aber nicht schon wegen Befangenheit ausgeschlossen, wenn es um die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmers auf eine Stelle geht, auf die sich das Betriebsratsmitglied selbst beworben hatte (BAG v. 24.4.2013 – 7 ABR 82/11, juris; anders noch die Vorinstanz LAG Baden-Württemberg, 20.10.2011 – 3 TaBV 4/11, juris). Hinsichtlich eines nach § 99 BetrVG eingeleiteten Eingruppierungsverfahrens eines anderen Arbeitnehmers besteht keine Befangenheit, auch wenn sich die Eingruppierung wegen einer vergleichbaren Stellung des Betriebsratsmitglieds mittelbar auf dessen Vergütung auswirken könnte (BAG v. 10.11.2009 – 1 ABR 64/08, juris). Befangenheit ist auch gegeben, wenn es um die Behandlung von Beschwerden geht, die das Betriebsratsmitglied selbst erhoben hatte (LAG Nürnberg v. 16.10.2012 – 7 TaBV 28/12, juris). Erklärt sich ein Betriebsratsmitglied allerdings selbst für befangen, kann der Betriebsratsvorsitzende dies ohne zusätzliche eigene Prüfung und Bewertung hinnehmen und das zuständige Ersatzmitglied laden (zutreffend LAG Hamburg v. 19.9.2012 – H 6 TaBV 2/12, juris).
Rz. 488
Verhinderung wegen Befangenheit liegt dagegen nicht vor, wenn es um Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte des Betriebsratsmitgliedes geht, etwa um Freistellung von Anwaltskosten, die der Betriebsrat geltend machen will. Ebenso nicht, wenn der Betriebsrat nach § 101 BetrVG die Aufhebung der Einstellung eines Arbeitnehmers betreiben will, der ein gekündigtes oder freigestelltes Betriebsratsmitglied, dessen Prozess noch nicht beendet ist, ersetzen soll (LAG Hamm v. 10.3.2006 – 10 TaBV 151/05, juris).