Rz. 1374

§ 123 InsO sieht zwei Begrenzungen für das Sozialplanvolumen bei Insolvenz vor: Die Gesamthöhe der Sozialplanabfindungen darf nach § 123 Abs. 1 InsO den Betrag nicht übersteigen, der sich als Summe von 2.5 Monatsverdiensten aller Arbeitnehmer, die von einer Entlassung infolge der geplanten Betriebsänderung betroffen sind, ergibt. Es handelt sich hierbei um eine "absolute Obergrenze". Für die Erfüllung von Sozialplanforderungen darf nach § 123 Abs. 2 S. 2 InsO nicht mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse verwendet werden, die ohne einen Sozialplan für die Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Es handelt sich hierbei um eine "relative Obergrenze" (wegen Einzelheiten s. Schwerdtner, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1605, 1632 – 1635). Im Insolvenzplanverfahren gibt es hinsichtlich des Sozialplanvolumens keine Besonderheiten, denn auch ein Insolvenzplan vermag – trotz der Regelungen der §§ 217, 254 Abs. 1 InsO – die Regelungen des § 123 InsO nicht außer Kraft zu setzen. Dabei sind die absolute und die relative Obergrenze nicht disponibel (Uhlenbruck/Berscheid, §§ 123, 124 InsO Rn 38; a.A. Schwerdtner, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 1605, 1634).

 

Rz. 1375

Angesichts der sehr kategorischen gesetzlichen Formulierung besteht Einigkeit, dass die Überschreitung der Obergrenze den Sozialplan unwirksam macht (DKKW/Däubler, BetrVG, Anh. §§ 111–113, § 123 InsO Rn 15; Uhlenbruck/Berscheid, §§ 123, 124 InsO Rn 17). Die Überschreitung des Höchstvolumens kann der Insolvenzverwalter – da es sich nicht um eine Ermessensrichtlinie, sondern um eine zwingende gesetzliche, "absolute Grenze" handelt – im Beschlussverfahren feststellen lassen, ohne an die Zwei-Wochen-Frist des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG gebunden zu sein. Bestehen gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass bei verringertem Gesamtvolumen andere Verteilungsgrundsätze gewählt worden wären, bleibt nur die Feststellung der Nichtigkeit mit der Folge, dass über den Sozialplan erneut verhandelt werden muss. Sprechen keine Anhaltspunkte für andere Verteilungsgrundsätze, dann folgt die Lösung aus einer entsprechenden Anwendung des § 140 BGB: Der Sozialplan ist in verringertem, sich innerhalb des § 123 Abs. 1 InsO bewegenden Volumen mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass die vorgesehenen Sozialplanabfindungen proportional gekürzt werden (DKKW/Däubler, BetrVG, Anh. §§ 111–113, § 123 InsO Rn 16 m.w.N.; ErfK/Kania, §§ 112, 112a BetrVG Rn 43: a.A. GK-BetrVG/Oetker §§ 112, 112a Rn 303: Die proportionale Kürzung müsste im Sozialplan vereinbart sein).

 

Rz. 1376

Werden wegen Betriebsteilschließungen mehrere Sozialpläne abgeschlossen, dann darf für die Berichtigung sämtlicher Sozialplanforderungen nach der vorgenannten Verteilungssperre ebenfalls nur ein Drittel der freien Insolvenzmasse verwendet werden. Übersteigt der Gesamtbetrag aller Sozialplanforderungen diese relative Obergrenze, so sind die einzelnen Forderungen anteilig zu kürzen (§ 123 Abs. 2 S. 3 InsO). Die Forderungen der Arbeitnehmer bleiben materiell-rechtlich in voller Höhe bestehen, sodass der nicht berichtigte Teil nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber, den Insolvenzschuldner, gem. §§ 215 Abs. 2, 201 Abs. 1 InsO weiterverfolgt werden kann (Schwerdtner, in Kölner Schrift zur InsO, S. 1605, 1632 m.w.N.; zust. Uhlenbruck/Berscheid, §§ 123, 124 InsO Rn 20).

 

Rz. 1377

Die praktische Handhabung der anteiligen Kürzung der Sozialplanansprüche bei Überschreiten der relativen Obergrenze bereitet Schwierigkeiten, denn der Umfang der Insolvenzmasse steht regelmäßig erst im Schlusstermin (§ 197 InsO) fest. Bis dahin soll der Insolvenzverwalter aus den vorhandenen Barmitteln mit Zustimmung des Insolvenzgerichtes Abschlagszahlungen leisten. Der Unsicherheit trägt das Gesetz Rechnung, indem es gem. § 123 Abs. 3 S. 2 InsO anordnet, dass eine Zwangsvollstreckung in die Insolvenzmasse wegen einer Sozialplanforderung unzulässig ist.

 

Rz. 1378

Ein Sozialplan, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, jedoch nicht früher als 3 Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt worden ist, kann sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Betriebsrat widerrufen werden (§ 124 Abs. 1 InsO); diese Regelung ist für solche "insolvenznahen" Sozialpläne lex specialis zu § 120 InsO. Das Widerrufsrecht ist voraussetzungslos, es bedarf keines Widerrufsgrundes (Uhlenbruck/Berscheid, §§ 123, 124 InsO Rn 16). Bei der Aufstellung eines Sozialplanes im Insolvenzverfahren können die Arbeitnehmer, denen Forderungen aus dem widerrufenen Sozialplan zustanden, berücksichtigt werden (§ 124 Abs. 2 InsO). Abfindungen, die ein Arbeitnehmer vor der Eröffnung des Verfahrens auf seine Forderung aus dem widerrufenen Sozialplan erhalten hat, können nicht wegen des Widerrufs zurückgefordert werden (§ 124 Abs. 3 S. 1 InsO). In einem solchen Fall ist bei einem neuen Sozialplan das Volumen entsprechend niedriger festzusetzen (§ 124 Abs. 3 S. 2 InsO).

 

Rz. 1379

Das Gesetz regelt ausdrücklich in § 123 Abs. 2 InsO nur den Rang ...

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