Rz. 1382

Der Spruch der Einigungsstelle über den Sozialplan kann im Fall einer gerügten Überschreitung der Grenzen ihres Ermessens aus § 112 Abs. 5 BetrVG binnen zwei Wochen vom Arbeitgeber oder Betriebsrat beim ArbG angefochten werden gem. § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG. Die Frist zur Geltendmachung der Überschreitung des Ermessens stellt eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar. Sie wird nicht gewahrt, wenn innerhalb von zwei Wochen beim ArbG die Feststellung der Unwirksamkeit eines Sozialplans ohne jede Begründung beantragt wird. Eine nach Ablauf der Frist nachgeschobene Begründung für den Feststellungsantrag heilt den Mangel nicht (BAG v. 26.5.1988 – 1 ABR 11/87, NZA 1989, 26 = ZIP 1988, 1483). Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung. Deshalb ist die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs zu beantragen, nicht seine Aufhebung (BAG v. 6.12.2006 – 7 ABR 62/05).

 

Rz. 1383

Die Anfechtung des Spruches der Einigungsstelle hat mit der Begründung zu erfolgen, dass die Einigungsstelle die Grenzen ihres Ermessens überschritten habe. Das wird insb. dann anzunehmen sein, wenn die in § 112 Abs. 5 BetrVG vorgegebenen Grundsätze nicht beachtet worden sind. Der durch § 112 Abs. 5 BetrVG vorgegebene Ermessensrahmen ist überschritten, wenn die Einigungsstelle für alle wegen einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer ohne Unterschied Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit – hier: für alle Betroffenen 75 % des Monatsgehalts für jedes Beschäftigungsjahr – bemisst (BAG v. 14.9.1994 – 10 ABR 7/94, NZA 1995, 440 = DB 1995, 430 = BB 1995, 407). Sind Teile des Sozialplans wegen rechtlicher Mängel unwirksam, so bleibt die Gültigkeit des restlichen Sozialplans davon unberührt, soweit sich dann noch eine sinnvolle Sozialplanregelung ergibt (BAG v. 27.10.1987 – 1 ABR 9/86, NZA 1988, 203 = DB 1988, 558 = BB 1988, 761).

 

Rz. 1384

 

Hinweis

Hat der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle zur Aufstellung des Sozialplans mit der Begründung angefochten, dessen Gesamtvolumen sei zu gering, muss er darlegen, dass der Sozialplan seinen gesetzlichen Zweck nicht erfüllt, weil er nicht einmal eine substanzielle Milderung der Nachteile vorsieht; ein vollständiger Ausgleich der Nachteile ist vom Gesetz nicht gefordert. Ein Ermessensfehler der Einigungsstelle liegt auch bei Unterschreitung der Grenze des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht vor, wenn anderenfalls das Sozialplanvolumen wirtschaftlich nicht mehr vertretbar wäre. In diesem Zusammenhang kann es auf die Möglichkeit eines Berechnungsdurchgriffs auf Konzernobergesellschaften ankommen (BAG v. 24.8.2004 – 1 ABR 23/03, NZA 2005, 302 = DB 2005, 397 = BB 2005, 397).

 

Rz. 1385

Der Betriebsrat und der Unternehmer können den Spruch der Einigungsstelle nicht nur wegen der Überschreitung des Ermessens anfechten, sondern auch andere rechtliche Mängel des Spruches im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren geltend machen. Für eine derartige kollektive Inhaltskontrolle gilt die Anfechtungsfrist des § 76 Abs. 5 S. 4 BetrVG nicht. Die Höhe der in einem Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan festgesetzten Abfindungen kann allerdings vom Arbeitgeber auch dann nur innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des Spruches angefochten werden, wenn die Einigungsstelle bei der Festsetzung der einzelnen Faktoren für die Berechnung der Abfindungen einem Rechtsirrtum unterlegen ist (BAG v. 1.4.1998 – 10 ABR 17/97, NZA 1998, 768 = DB 1998, 1471 = BB 1998, 1588).

Daneben unterliegt auch der von den Betriebspartnern vereinbarte Sozialplan einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle im Klageverfahren betroffener Arbeitnehmer. Sie bezieht sich jedoch nur auf den Inhalt der vereinbarten Regelung, ob diese der Billigkeit entspricht oder ob einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern in unbilliger Weise benachteiligt werden. Der einzelne Arbeitnehmer kann aber nicht geltend machen, die finanzielle Gesamtausstattung des Sozialplanes sei unzureichend. Zudem können einzelne Arbeitnehmer ihre Sozialplanansprüche im Urteilsverfahren vor den ArbG einklagen, insb. auch, dass sie zu Unrecht, z.B. wegen Verstoß gegen § 75 BetrVG, von Sozialplanleistungen ausgenommen wurden (BAG v. 25.10.1983, AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 18; 12.4.1996, NZA 1996, 1113). Führt eine erfolgreiche Klage eines Arbeitnehmers zu einer Erhöhung des Sozialplanvolumens, führt dies nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Sozialplans. Sind nur einzelne Arbeitnehmer betroffen und fällt die Mehrbelastung des Arbeitgebers durch die Korrektur im Verhältnis zum Gesamtvolumen des Sozialplans nicht ins Gewicht, muss der Arbeitgeber die Erhöhung hinnehmen (BAG v. 21.10.2003 – 1 AZR 407/02, NZA 2004, 559; BAG v. 26.6.1990, NZA 1991, 111, 113). Ansonsten droht ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, sodass letzten Endes ein neuer Sozialplan verhandelt werden muss.

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