Rz. 1343

Unter einem Sozialplan versteht das Gesetz in § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer Betriebsänderung entstehen. Voraussetzung für die Aufstellung eines Sozialplanes ist daher immer, dass der Arbeitgeber eine Betriebsänderung durchführt, an der der Betriebsrat nach den §§ 111 ff. BetrVG zu beteiligen ist. Der Sozialplan ist dabei zu unterscheiden vom Interessenausgleich, der die Einigung darüber enthält, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchzuführen ist. Interessenausgleich und Sozialplan sind streng zu unterscheiden, da der Sozialplan erzwingbar ist, der Interessenausgleich jedoch vom Arbeitgeber nur versucht werden muss.

 

Rz. 1344

Der Sozialplan ist eine Betriebsvereinbarung besonderer Art (BAG v. 11.11.2008 – 1 AZR 475/07, NZA 2009, 210 = DB 2009, 347) und bedarf der Schriftform (§ 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Eine Besonderheit besteht nach § 112 Abs. 1 S. 4 BetrVG insoweit, als § 77 Abs. 3 BetrVG keine Anwendung findet. Sozialpläne können daher auch Angelegenheiten regeln, die bereits tarifvertraglich, insb. durch Rationalisierungsschutzabkommen, geregelt sind. Die Möglichkeit der Betriebspartner zum Abschluss eines Sozialplanes nach §§ 111, 112 BetrVG schränkt das Recht der Tarifparteien, einen Tarifvertrag mit einem sozialplanähnlichen Inhalt zu schließen, nicht ein (BAG v. 6.12.2006 – 4 AZR 798/05, NZA 2007, 821 = DB 2007, 1362; BAG v. 24.4.2007, NZA 2007, 987 = DB 2007, 1924 = BB 2007, 2235). I.Ü. gilt für den Sozialplan § 77 Abs. 4 BetrVG: Er schafft Ansprüche mit normativer Wirkung.

 

Rz. 1345

 

Hinweis

Sozialpläne gelten für Betriebsänderungen in einem Betrieb. Sie können daher nur für Betriebe vereinbart werden, in denen ein Betriebsrat besteht. Für betriebsratslose Betriebe kann nicht der Gesamtbetriebsrat tätig werden (BAG v. 16.8.1983 – 1 AZR 544/81, NJW 1984, 2966 = DB 1984, 129 = SAE 1984, 334 m. Anm. Dütz). Nur wenn die Betriebsänderung das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe desselben Unternehmens betrifft, kann der Sozialplan mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart werden. Er gilt nach neuem Recht auch für Arbeitnehmer in betriebsratslosen Betrieben, wenn diese von der unternehmensweiten oder zumindest betriebsübergreifenden Betriebsänderung betroffen sind. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates erstreckt sich insoweit – aber auch nur insoweit – auch auf Betriebe ohne Betriebsrat (§ 50 Abs. 1 BetrVG).

 

Rz. 1346

Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat anlässlich einer Betriebsänderung i.S.d. § 111 S. 3 BetrVG über den Sozialplan nicht einigen, so kann von jeder Seite die Einigungsstelle angerufen werden. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt nach § 112 Abs. 4 BetrVG die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Der Sozialplan kann daher auch gegen den Willen des Arbeitgebers vom Betriebsrat erzwungen werden. Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle ist nicht, dass vom Unternehmer zuvor ein Interessenausgleich über die Betriebsänderung versucht worden ist. Der Betriebsrat kann vielmehr die Einigungsstelle auch dann anrufen, wenn die Betriebsänderung ohne seine Beteiligung schon durchgeführt worden ist (BAG v. 14.9.1976 – 1 AZR 784/75, NJW 1977, 727 = DB 1977, 309 = BB 1977, 142 = SAE 1977, 292 m. Anm. Otto).

 

Rz. 1347

Auch wenn der Betrieb schon stillgelegt ist und die Arbeitsverhältnisse der Betriebsratsmitglieder beendet sind, behält der Betriebsrat nach § 21b BetrVG ein Restmandat zur Abwicklung aller mit der Betriebsänderung zusammenhängenden Aufgaben, also auch zur Aufstellung eines Sozialplanes (BAG v. 6.12.2006, AP Nr. 5 zu § 21b BetrVG).

aa) Aufstellen des Sozialplans

 

Rz. 1348

Die Höhe des Sozialplanvolumens wird zwischen den Betriebspartnern vereinbart; diese sind in der Insolvenz an die Obergrenze des § 123 Abs. 1 InsO gebunden. Wird der Sozialplan durch Spruch der Einigungsstelle festgelegt, hat diese bei der Bildung des Sozialplanvolumens den in § 112 Abs. 5 Nr. 3 BetrVG niedergelegten Ermessensgrundsatz zu beachten. Die Einigungsstelle überschreitet die Grenzen des ihr vorgegebenen Ermessensrahmens, wenn sie für alle infolge einer Betriebsänderung entlassenen Arbeitnehmer ohne Unterschied pauschal Abfindungen festsetzt, deren Höhe sich allein nach dem Monatseinkommen und der Dauer der Betriebszugehörigkeit bemisst (BAG v. 26.5.1988 – 1 ABR 11/87, NZA 1989, 26 = DB 1988, 2155 = BB 1988, 2174; BAG v. 28.9.1988, NZA 1989, 186 = DB 1989, 48 = BB 1989, 498; BAG v. 14.9.1994, NZA 1995, 440 = DB 1995, 430 = BB 1995, 407). Eine zwischen den Betriebspartnern ergangene rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über den Inhalt eines Sozialplanes und die fehlende Nachschusspflicht des Arbeitgebers wirkt auch ggü. den Arbeitnehmern, die Ansprüche aus dem Sozialplan geltend machen und eine höhere Abfindung fordern (BAG v. 17.2.1992 – 10 AZR 448/91, NZA 1992, 999 = DB 1992, 1833 = BB 1992, 2083).

 

Rz. 1349

Der Sozialplan soll wirtschaftliche Nachteile ausgleichen ...

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