Rz. 837

 

Hinweis

Allgemein gültige Grundsätze für die Folgen mitbestimmungswidrigen Handelns des Arbeitgebers hat der 2. Senat des BAG im Urt. v. 5.4.2001 aufgestellt (2 AZR 580/99, juris). Dort hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach einer Wiedereinstellung Arbeit zugewiesen, obwohl der Betriebsrat nicht nach § 99 BetrVG beteiligt worden war. Der Betriebsrat hatte sich trotz Kenntnis von dieser Arbeitszuweisung nicht gemeldet, der Arbeitnehmer aber die Arbeit (er war der Ansicht, der zugewiesene Arbeitsplatz entspreche nicht den im Vertrag festgelegten Bedingungen) mit der Begründung verweigert, die Zuweisung der Arbeit sei unbeachtlich, weil die Betriebsratsbeteiligung nach § 99 BetrVG nicht vorliege. Das BAG führt aus, bei der Bestimmung der Rechtsfolgen einer fehlenden bzw. nicht ordnungsgemäß erfolgten Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gem. § 99 BetrVG sei zwischen der individualrechtlichen und der kollektiven Ebene zu unterscheiden.

Ein Zustimmungserfordernis führe zunächst nur dann automatisch zur Unwirksamkeit der individualrechtlichen Maßnahme, wenn diese wie bei der Zustimmung zu Kündigungen gem. §§ 102, 103 BetrVG selbst Gegenstand des Mitbestimmungsrechtes sei;
bei den personellen Einzelmaßnahmen i.S.d. § 99 BetrVG sei dies nicht der Fall. Die Durchführung einer personellen Maßnahme ohne Zustimmung des Betriebsrates stelle zunächst nur einen Pflichtverstoß ggü. dem Betriebsrat dar, die Maßnahme sei daher betriebsverfassungsrechtlich unwirksam;
eine gleichzeitige individualrechtliche Unwirksamkeit komme lediglich in Betracht, wenn Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechtes ein Durchschlagen der Rechtswidrigkeit von der kollektiven auf die individualrechtliche Ebene zwingend erfordere (im Anschluss an Raab, ZfA 1995, 515 f.);
ob eine ohne Zustimmung des Betriebsrates durchgeführte personelle Einzelmaßnahme unwirksam sei, könne daher nicht einheitlich beantwortet werden, vielmehr sei für die Entscheidung dieser Frage vom Schutzzweck des jeweils betroffenen Mitbestimmungsrechts auszugehen;
das Mitbestimmungsrecht bei der Versetzung diene auch dem Schutz des von der Versetzung betroffenen Arbeitnehmers (vgl. § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates habe daher zur Folge, dass die Versetzung auch individualrechtlich unwirksam sei und der Arbeitnehmer das Recht habe, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern;
demgegenüber stehe das Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung dem Betriebsrat zum Schutz der kollektiven Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft zu. Der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, der allein der Wahrung der Interessen des betroffenen Arbeitnehmers diene, komme grds. bei Einstellungen nicht in Betracht;
da sich das Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung auf die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers beziehe, sei der Arbeitsvertrag auch dann wirksam, wenn die Einstellung ohne Zustimmung des Betriebsrates erfolgt sei; allerdings führe die mitbestimmungswidrige Einstellung zu einem betriebsverfassungsrechtlichen Beschäftigungsverbot. Nach § 101 S. 1 BetrVG könne der Betriebsrat verlangen, dass der Arbeitgeber die ohne Zustimmung des Betriebsrates durchgeführte personelle Maßnahme – die Beschäftigung – wieder aufhebe;
auch ein betriebsverfassungsrechtliches Beschäftigungsverbot greife in die individualrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber insofern ein, als es die Erfüllung eines aus dem Arbeitsverhältnis fließenden Beschäftigungsanspruches des Arbeitgebers ausschließe. Eine gerichtliche Anordnung nach § 101 BetrVG könne sich ihrer Natur nach nicht auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beschränken. Die Gestaltungsakte, deren Aufhebung dem Arbeitgeber vom Gericht aufgegeben werde, hätten nämlich immer das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Gegenstand. Daraus folge, dass der Arbeitgeber ggü. dem Arbeitnehmer keinen durchsetzbaren Beschäftigungsanspruch mehr habe und der Arbeitnehmer dementsprechend im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sei, wenn der Betriebsrat die Aufhebung der mitbestimmungswidrigen Einstellung nach § 101 BetrVG tatsächlich verlange;
die weitergehende Frage, ob der Arbeitnehmer auch dann berechtigt sei, die Arbeit zu verweigern, wenn der Betriebsrat die Aufhebung der mitbestimmungswidrigen Einstellung überhaupt nicht betreibt, sei unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der Norm zu beurteilen. Die Mitbestimmung bei Einstellungen diene dem Schutz der kollektiven Interessen, nicht der Interessenwahrnehmung des betroffenen Arbeitnehmers. Dieser Schutzzweck, dem durch das Verfahren nach § 101 BetrVG Genüge getan sei, erfordere es nicht, dem Arbeitnehmer ein Recht zur Arbeitsverweigerung auch dann zuzugestehen, wenn der Betriebsrat ein Verfahren nach § 101 BetrVG nicht eingeleitet hat. Der Arbeitnehmer könne sich auf das betriebsverfassungsrechtliche Beschäftigungsverbot vielmehr nur beru...

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