Rz. 554

Zur ordnungsgemäßen Durchführung seiner Betriebsratsaufgaben ist das Betriebsratsmitglied kraft Gesetzes von seiner Arbeitspflicht gem. § 37 Abs. 2 BetrVG befreit. Die Arbeitsbefreiung wird – anders als bei der Vollfreistellung nach § 38 BetrVG – nicht durch den Arbeitgeber erteilt und bedarf auch nicht seines Einverständnisses (BAG v. 15.7.1992 – 7 AZR 466/91, juris; BAG v. 15.3.1995 – 7 AZR 643/94, juris; BAG v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09, juris). Es gilt das Lohnausfallprinzip (BAG v. 28.5.2014 – 7 AZR 404/12, juris). Jedes Betriebsratsmitglied kann selbst – unter Berücksichtigung der quantitativen Notwendigkeit und der betrieblichen Belange (muss die Tätigkeit auch gerade "jetzt" erfolgen?) – bestimmen, wann es Betriebsratstätigkeit anstelle seiner normalen Arbeit verrichtet (LAG Berlin-Brandenburg v. 20.10.2011 – 10 TaBV 567/11, juris); eines Betriebsratsbeschlusses bedarf es hierzu nicht. Auch bei einer anderweitigen Vereinbarung des Betriebsratsgremiums mit dem Arbeitgeber ist das Betriebsratsmitglied nicht gehindert, diese seine Rechte im Bedarfsfall eigenverantwortlich wahrzunehmen.

 

Rz. 555

 

Hinweis

Eine solche Freistellung kann nach BAG v. 26.9.2018 – 7 ABR 77/16, juris, zumindest hinsichtlich der Freistellung von Gesamtbetriebsratsmitgliedern zur Erledigung ihrer Aufgaben im Gesamtbetriebsrat auch durch Vereinbarung zwischen dem Gesamtbetriebsrat (als Organ) und dem Arbeitgeber erfolgen. Zwar gibt es für den Gesamtbetriebsrat keinen Anspruch auf eigene Freistellungen nach § 38 BetrVG (§ 51 Abs. 1 BetrVG verweist nicht auf § 38 BetrVG). Aber nach § 37 Abs. 2 BetrVG hat der GBR einen Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung, in der eine generelle Freistellung oder Teilfreistellung eines oder mehrerer GBR-Mitglieder gestützt werden kann. Diese kann im Beschlussverfahren auch eingeklagt werden.

 

Rz. 556

Betriebsratstätigkeit und Arbeitszeit müssen nicht deckungsgleich sein. Ist dem Betriebsratsmitglied wegen einer vorangegangenen oder bevorstehenden Betriebsratstätigkeit die Arbeitsleistung zu seiner normalen Arbeitszeit unmöglich oder unzumutbar, kann eine erweiterte Befreiung von der Arbeitspflicht in Betracht kommen: Wird ein Betriebsratsmitglied in der Nachtschicht eingesetzt, kann ihm – teilweise – Arbeitsbefreiung sowohl für die vorangehende als auch für die nachfolgende Nachtschicht zustehen, wenn es tagsüber an einer ganztägigen Betriebsratssitzung teilnehmen muss (BAG v. 7.6.1989 – 7 AZR 500/88, juris; instruktiv BAG v. 18.1.2017 – 7 AZR 224/15, juris).

 

Hinweis

Unabhängig davon, ob Betriebsratstätigkeit als Arbeitszeit anzusehen ist, ist bei der Beurteilung, ob und wann einem Betriebs- oder Personalratsmitglied die Fortsetzung der Arbeit wegen einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit liegenden Sitzung unzumutbar ist, die in § 5 ArbZG zum Ausdruck kommende Wertung zu berücksichtigen. Daher ist das Betriebsratsmitglied berechtigt, die Schicht abzubrechen, ausfallen zu lassen oder später anzutreten, wenn ansonsten die Mindestruhezeit von elf Stunden nicht gewährleistet werden kann (BAG v. 16.9.2020 – 7 AZR 491/19, juris). Dasselbe gilt für eine Überschreitung der Höchstarbeitszeit von zehn Stunden.

 

Rz. 557

Nach BAG v. 15.5.2019 – 7 AZR 396/17, juris, besteht dann, wenn die vorhergehende Nachtschicht wegen der BR-Sitzung ausfallen muss (das BR-Mitglied arbeitet in Wechselschicht: nach Nachtschicht 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr folgt eine Freiwoche; BR-Tätigkeit von vier Std. erfolgt am ersten Tag nach der Nachtschicht in der Freiwoche), ein Anspruch auf Freizeitausgleich für diese vier Stunden nach § 37 Abs. 3 BetrVG. Wegen der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung ist diese Tätigkeit in der Freiwoche auch aus betrieblichen Gründen außerhalb der Arbeitszeit des betreffenden BR-Mitglieds erfolgt. Die ausfallende Nachtschicht ist nach § 37 Abs. 2 BetrVG zu vergüten – die Freistellung erfolgt wegen der am Folgetag zu verrichtenden BR-Tätigkeit. Eine Verrechnung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 BetrVG mit der bereits für die vorhergehende Nachtschicht erfolgten Stundengutschrift, die das BAG im Jahr 1989 für notwendig angesehen hatte (15.2.1989 – 7 AZR 193/88 – und 7.6.1989 – 7 AZR 597/88, jeweils juris), hat dabei nicht zu erfolgen. Die in den beiden Entscheidungen aufgeführte Rechtsansicht wird ausdrücklich aufgegeben. Schutzzweck des § 37 Abs. 3 BetrVG sei, dass aufgewendete Freizeit ausgeglichen werden solle, in der das BR-Mitglied üblicherweise seinen Freizeitaktivitäten nachgehen könne. Dieser Zweck sei mit der Freistellung in der vorhergehenden Nachtschicht nicht erfüllt. Allerdings könne der Arbeitgeber den Freizeitausgleichsanspruch des BR-Mitglieds in der Folgezeit auch durch Freistellung in Nachtschichten direkt vor der nächsten BR-Tätigkeit erfüllen.

 

Rz. 558

 

Hinweis

Die Entscheidung gilt nicht für jede beliebige BR-Tätigkeit außerhalb der Nachtschichten. Die Tätigkeit muss – wie etwa bei Sitzungen, die wegen der Arbeitszeit der nicht in Nachtschicht beschäftigten BR-Mitglieder tagsüber ange...

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