Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
aa) Systematik
Rz. 1186
Hat der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung, Versetzung, Eingruppierung oder Umgruppierung ordnungsgemäß verweigert, so darf der Arbeitgeber die Einstellung oder Versetzung erst dann durchführen, wenn die Zustimmung des Betriebsrates durch die ArbGe rechtskräftig ersetzt ist (außer bei Dringlichkeit, hierzu gleich Rdn 1207 ff.). Hierzu muss er, wenn er auf die Durchführung der Einstellung oder Versetzung nicht verzichten will, beim ArbG diese Ersetzung der Zustimmung durch Gestaltungsentscheidung des Gerichtes im Beschlussverfahren beantragen. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB begründet in der Regel keine Verpflichtung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen, wenn der Betriebsrat die nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung zur Einstellung verweigert hat (BAG v. 21.2.2017 – 1 AZR 367/15, juris).
Rz. 1187
Bei Eingruppierung ist der Arbeitgeber im Fall des ordnungsgemäßen Widerspruchs zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet. Wird der vom Arbeitgeber gestellte Antrag auf Eingruppierung in einer bestimmten Vergütungsgruppe im arbeitsgerichtlichen Verfahren rechtskräftig abgelehnt, dann muss der Arbeitgeber beim Betriebsrat erneut das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG einleiten, verbunden mit dem Antrag auf Eingruppierung in eine andere Gruppe. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung auch zu dieser Gruppe, dann muss der Arbeitgeber erneut ein Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten. Dies ist so lange durchzuführen, bis der Betriebsrat die Zustimmung zu einer bestimmten Vergütungsgruppe erteilt wird, bis sie als erteilt gilt oder von den ArbGen ersetzt worden ist. Der Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bezieht sich allein auf die vom Arbeitgeber beantragte Vergütungsgruppe – über die konkret zutreffende Vergütungsgruppe ist nicht zu entscheiden (LAG Hamm v. 9.3.2021 – 7 TaBV 27/19, juris).
bb) Prüfung des ArbG, Entscheidung und Antragstellung
Rz. 1188
Die Prüfung der ArbGe erfolgt also in folgenden Schritten:
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Übersteigt die Zahl der regelmäßig beschäftigten wahlberechtigten Arbeitnehmer im Unternehmen 20? |
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Handelt es sich überhaupt um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung oder Versetzung? |
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Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat ausreichend und ordnungsgemäß unterrichtet? |
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Hat der Betriebsrat ordnungsgemäß widersprochen, d.h. |
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innerhalb einer Woche, |
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schriftlich, |
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nach ordnungsgemäßem Betriebsratsbeschluss, |
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unter Angabe eines Grundes, der sich einer der Nr. des § 99 Abs. 2 BetrVG zuordnen lässt? |
Rz. 1189
Kommt das ArbG zum Ergebnis,
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dass die Betriebsgröße nicht erreicht ist, |
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dass es sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung oder Versetzung handelt, |
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dass das Verfahren vom Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG eingeleitet ist, |
dann ist der Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmungsersetzung abzuweisen. Die Voraussetzungen, unter denen eine Ersetzung, d.h. eine Rechtsgestaltung durch die ArbGe vorgenommen werden kann, liegen nicht vor.
Rz. 1190
Kommt das ArbG zum Ergebnis, dass die Verweigerung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß ist, dann tritt die Zustimmungsfiktion des § 99 Abs. 3 Hs. 2 BetrVG ein: Die Zustimmung gilt als erteilt. Auch in diesem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Zustimmungsersetzung (es handelt sich um eine Gestaltungsentscheidung durch das Gericht, die nicht mehr möglich ist, weil die begehrte Rechtslage durch die vorherige gesetzliche Fiktion bereits eingetreten ist) nicht vor. In einem solchen Fall muss der Antrag des Arbeitgebers jedoch nicht abgewiesen werden. Vielmehr hat das Gericht von Amts wegen die Feststellung zu treffen, dass die Zustimmung als erteilt gilt (BAG v. 18.10.1988 – 1 ABR 33/87, juris; BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 9/12, juris).
Rz. 1191
Hinweis
Die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats muss sich auf alle beantragten Maßnahmen beziehen. Begründet der Betriebsrat die Verweigerung zur Einstellung damit, der Arbeitnehmer werde zu niedrig eingruppiert, gilt die Zustimmung zur Einstellung als erteilt. Dasselbe gilt, wenn sich aus der Begründung ergibt, die Versetzung der Arbeitnehmer aus Berlin verstoße gegen die Auswahlrichtlinien des Tarifvertrags, soweit sich Zustimmungsbegehren und die Zustimmungsverweigerung auch auf in Potsdam beschäftigte Arbeitnehmer beziehen (BAG v. 13.5.2014 – 1 ABR 9/12, juris).
Rz. 1192
Im Rahmen des Zustimmungsersetzungsantrags nach § 99 Abs. 4 BetrVG kommt es für die Rechtfertigung des dem Arbeitnehmer entstehenden Nachteils – Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG wegen Versetzung an einen räumlich weit entfernten Ort – nur darauf an, ob "betriebliche Gründe" für die Versetzung vorliegen. Es ist keine Abwägung mit den Interessen des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich (zutreffend LAG Baden-Württemberg, 7.5.2014 – 13 TaBV 1/14, juris).
Rz. 1193
Praxistipp
Ist str., ob es sich überhaupt um eine Versetzung handelt und ob der Widerspruch des Betrie...