Joachim Vetter, Dr. iur. Martin Nebeling
aa) Zwangsgeldantrag nach § 101 BetrVG
Rz. 1221
Verletzt der Arbeitgeber seine Pflichten nach § 99 BetrVG – stellt er ohne Zustimmung des Betriebsrates ein, versetzt er ohne Zustimmung des Betriebsrates, führt er trotz Versetzung kein Eingruppierungsverfahren durch –, dann kann der Betriebsrat nach § 101 BetrVG "Aufhebung der Maßnahme" verlangen. Da bei Eingruppierung und Umgruppierung (Rechtsbeurteilung) nichts "aufgehoben" werden kann, muss in einem solchen Fall der Antrag auf Durchführung des Verfahrens nach § 99 Abs. 1 BetrVG und bei Widerspruch nach § 99 Abs. 4 BetrVG gestellt werden (s.o. bei Eingruppierung Rdn 1149).
Rz. 1222
Beim Antrag nach § 101 BetrVG handelt es sich um einen Leistungsantrag, für den es der Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses normalerweise nicht bedarf. Der Antrag wird jedoch unbegründet, wenn der von der personellen Maßnahme betroffene Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausscheidet; mit dem Ausscheiden endet der betriebsverfassungswidrige Zustand, dessen Beseitigung der Betriebsrat mit dem Antrag nach § 101 BetrVG begehrt (BAG v. 14.11.1989 – 1 ABR 85/88, juris). Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber eine denselben Arbeitnehmer betreffende neue personelle Maßnahme betriebsverfassungsrechtlich ordnungsgemäß durchführt. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer nach dieser Maßnahme auf demselben Arbeitsplatz weiterbeschäftigt wird. Einer zeitweiligen Unterbrechung der Beschäftigung bedarf es dabei nicht (LAG Hessen v. 27.11.2007 – 4 TaBV 111/07, juris). Die faktisch rechtswidrige Durchführung der Maßnahme in der Vergangenheit hindert den Arbeitgeber aufgrund des zukunftsgerichteten Charakters des Verfahrens nach § 99 BetrVG nicht, die Maßnahme künftig auf betriebsverfassungsrechtlich ordnungsgemäßer Grundlage durchzuführen; für die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 101 BetrVG kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an (LAG Düsseldorf v. 20.12.2016 – 14 TaBV 57/16, juris).
bb) Unterlassungsanspruch
Rz. 1223
Der Betriebsrat kann bei wiederholten Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Pflichten nach § 99 BetrVG den Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG ggü. dem Arbeitgeber stellen. Ein solcher Anspruch setzt kein aktuelles Einstellungsverfahren, sondern nur einen begangenen – groben – Verstoß und die Möglichkeit einer Wiederholung voraus (BAG v. 17.3.1987 – 1 ABR 65/85, juris; BAG v. 19.1.2010 – 1 ABR 62/08, juris).
Rz. 1224
Bei Streitfragen können Arbeitgeber oder Betriebsrat die Feststellung beantragen, dass für die Maßnahme kein Mitbestimmungsrecht besteht, also keine Einstellung oder Versetzung vorliegt (BAG v. 22.9.2021 – 7 ABR 13/20, juris). Sie können auch die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehen eines Mitbestimmungsrechts in "solchen" Konstellationen betreiben (sog. abstrakter Feststellungsantrag). Auch hierfür genügt – ohne dass ein grober Verstoß vorliegen muss – die Möglichkeit, dass die Streitfrage im Betrieb nochmals auftaucht. In diesem Zusammenhang ist auch ein Feststellungsantrag mit dem Inhalt möglich, dass für eine "solche" (erledigte) als vorläufig i.S.d. § 100 BetrVG durchgeführte Maßnahme ein dringendes Erfordernis nicht besteht (so mit Recht, in der Begründung aber ungenau DKW/Bachner/Wenckebach, § 100 Rn 35).
Rz. 1225
Fraglich ist, ob der Betriebsrat über § 101 BetrVG hinaus auch einen "allgemeinen Unterlassungsanspruch" oder "allgemeinen Beseitigungsanspruch" geltend machen kann, die im Wege einstweiliger Verfügung verwirklicht werden können. Das BAG hatte diese Frage offengelassen; es konnte dies tun, weil entweder der vom Betriebsrat gerügte betriebsverfassungswidrige Zustand nicht bestand oder der Antrag "zu global" war, also auch Fallgestaltungen umfasste, bei denen ein Mitbestimmungsrecht nicht bestand (BAG v. 6.12.1994 – 1 ABR 30/94, juris; BAG v. 13.3.2001 – 1 ABR 34/00, juris; BAG v. 13.3.2007 – 1 ABR 22/06, juris; BAG v. 11.12.2007 – 1 ABR 73/06, juris). In der Entscheidung vom 23.6.2009 (1 ABR 23/08, juris) hat es sich im Hinblick auf die in §§ 100 und 101 BetrVG normierten Wertentscheidungen des Gesetzgebers gegen das Bestehen eines solchen Unterlassungsanspruchs entschieden (Einzelheiten vgl. Rdn 1448 ff.).
Rz. 1226
Der Anspruch des Betriebsrates auf Aufhebung einer personellen Maßnahme nach § 101 BetrVG entfällt, wenn der Arbeitgeber eine denselben Arbeitnehmer betreffende neue personelle Maßnahme durchführt. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer auf demselben Arbeitsplatz weiterbeschäftigt wird. Einer zeitweiligen Unterbrechung der Beschäftigung auf diesem Arbeitsplatz bedarf es nicht (LAG Hessen v. 27.11.2007 – 4 TaBV 111/07, juris).
Rz. 1227
Der Betriebsrat hat kein rechtliches Interesse an der Feststellung, ihm habe bei einer bereits endgültig durchgeführten Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht zugestanden ("konkreter" Feststellungsantrag). Im Hinblick auf die Möglichkeit, nach § 101 BetrVG vorzugehen, ist ein solcher Antrag unzulässig (BAG v. 15.4.2008 – 1 ABR 14/07, juris).
Rz. 1228
Unterlassungsansprüche müssen für den in Anspruch genommenen Be...