Rz. 53
Das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts hat den § 142 StGB um einen Absatz 4 ergänzt, der die "tätige Reue" – allerdings nur für Unfälle, die sich nicht im fließenden Verkehr ereignen und nur einen nicht bedeutenden Sachschaden verursacht haben – belohnt. Die jetzige Neuregelung bleibt weit hinter dem sowohl von Verkehrsjuristen als auch mit den Gesetzesanträgen der Länder Berlin (BR-Drucks 316/86) und Hessen (BR-Drucks 400/93) Geforderten zurück.
Rz. 54
Wenn auch mit unterschiedlichem dogmatischem Ansatz waren sich fast alle (wie auch der Dt. Verkehrsgerichtstag) einig darin, dass es sachgerecht wäre, sämtliche Fälle "tätiger Reue" nach einem Sachschaden straffrei zu stellen. Die jetzige Regelung privilegiert lediglich die freiwillige Meldung nach Unfällen, die sich außerhalb des fließenden Verkehrs ereignet und darüber hinaus nur geringen Schaden verursacht haben; zwingend vorgeschrieben ist die Straffreiheit aber auch dann nicht.
Rz. 55
Die Neuregelung hat deshalb keine entscheidende Verbesserung gebracht, zumal i.d.R. die Schadenshöhe in dem Zeitpunkt, in dem sich der Unfallbeteiligte entscheiden muss, nicht bekannt ist und auch nicht näher abgeschätzt werden kann, so dass der Anwalt dem Mandanten nicht unbedingt raten kann, sich zu melden.
Rz. 56
Dies ist einer der Gründe, weshalb der Absatz 4 des § 142 StGB kaum praktische Bedeutung hat, ganz abgesehen davon, dass sein Anwendungsbereich dazu noch äußerst umstritten ist.
Die Voraussetzungen im Einzelnen:
1. Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs
Rz. 57
Bereits zur Frage, wann sich ein Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs ereignet hat, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Rz. 58
Fischer will hierunter nur Unfälle, die sich auf einem Parkplatz selbst ereignen, subsumieren, wobei nicht einmal klar ist, ob hierunter auch der Begegnungsverkehr auf dem Parkplatz fällt.
Rz. 59
Hentschel/König/Dauer geht einen Schritt weiter. Er ist der Auffassung, dass zwar auch der allgemeine Verkehrsraum grundsätzlich unter die Vorschrift fällt, dies aber nur, soweit der Unfall im Zusammenhang mit einem Parkvorgang steht. Sobald dagegen ein Fahrzeug aus einem sonstigen Fahrvorgang heraus beschädigt wird, soll nach seiner Auffassung § 142 Abs. 4 StGB selbst dann nicht greifen, wenn das beschädigte Fahrzeug geparkt war.
Rz. 60
Demgegenüber spricht der dem § 142 StGB zugrunde liegende Schutzzweck dafür, dass sich das Merkmal "außerhalb des fließenden Verkehrs" nur auf das geschädigte Fahrzeug beziehen soll. § 142 StGB hat nämlich nur das zivilrechtliche Beweisinteresse im Blick und bei der Beschädigung eines geparkten Fahrzeuges ist regelmäßig von der Alleinhaftung des Auffahrenden auszugehen. Aus dem gleichen Grund wird man auch Beschädigungen von Verkehrsschildern, Mauern etc. unter die Vorschrift zu subsumieren haben.
Rz. 61
Soweit ersichtlich, schließt sich die Rechtsprechung jedoch der von Fischer,Himmelreich/Lessing,Himmelreich/Bücken/Krumm oder OLG Köln (VRS 98, 122) vertretenen engen Auffassung an. Zur Begründung wird angeführt, die Rechtsprechung zu § 2 Abs. 10 StVO habe geklärt, was unter fließendem Verkehr zu verstehen sei, nämlich nur der Verkehr auf Fahrbahnen, der gegenüber dem auf allen anderen Verkehrsflächen befindlichen Vorrang habe. Deshalb befinde sich derjenige, der auf einer Straße ein geparktes Fahrzeug anfahre, eben gerade nicht – wie von der Vorschrift gefordert – außerhalb des fließenden Verkehrs.
2. Nicht bedeutender Schaden
Rz. 62
Weitere Anwendungsvoraussetzung ist, dass kein bedeutender Schaden entstanden ist.
Hier gilt wohl der gleiche Schadensbegriff wie bei § 69a Abs. 2 StGB, d.h. nur ein Schaden bis 1.300 EUR (LG Bielefeld NZV 2002, 48), bzw. maximal 1.600 EUR (LG Braunschweig zfs 2016, 391; OLG Stuttgart VRR 2018, Nr. 8, 11) ist ein nicht bedeutender Schaden in diesem Sinne.
Rz. 63
Achtung: Irrtum über die Schadenshöhe
Anders als beim bedeutenden Schaden des § 69a Abs. 2 StGB, der vom Vorsatz des Täters mit umfasst sein muss, spielt hier ein Irrtum über die Schadenshöhe keine Rolle, denn der Tatbestand ist bereits mit der Flucht erfüllt, und die Frage, ob dem Täter die Privilegierung des Absatz 4 zugutekommt, richtet sich alleine nach der Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens, vergleichbar einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit. Das macht die anwaltschaftliche Beratung besonders schwierig.
Liegt der Schaden tatsächlich – wie vom Mandanten angenommen – unter der kritischen Grenze, hat er – wenn er sich nicht stellt und ermittelt wird – auch nur mit einem Fahrverbot zu rechnen.
Ist der Schaden dagegen tatsächlich höher als zunächst angenommen, muss er mit dem Entzug der Fahrerlaubnis selbst dann rechnen, wenn er sich freiwillig gemeldet hat. Dann bleibt ihm nur die Hoffnung, die Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis darauf, dass er m...