Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Täter den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 142 StGB verwirklicht, so liegt darin zugleich eine vorsätzliche Verletzung seiner Aufklärungsobliegenheit in der Kaskoversicherung. Hieran vermag eine anschließend geübte tätige Reue nach § 142 Abs. 4 StGB nichts zu ändern.
2. Die generelle Annahme geringen Verschuldens im Sinne der Relevanzrechtsprechung in allen Fällen des § 142 Abs. 4 StGB kommt nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 9 O 2445/02) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.12.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Osnabrück wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.614,86 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht ggü. der Beklagten Ansprüche aus einer Kraftfahrzeug-Vollkaskoversicherung geltend.
Der Kläger befuhr am 14.4.2002 gegen 19.20 Uhr bei regnerischem Wetter mit seinem Pkw … den A.-Weg in H. in Richtung S.-Straße. Kurz vor der Einmündung der Straße So. kam er nach links von der Straße ab, geriet auf den Gehweg, überfuhr dort das Straßenschild So. und knickte es dabei in Bodenhöhe um, überquerte den So., durchfuhr sodann den Garten des Eckgrundstücks So., wo er zwei Büsche, ein Eichenbäumchen sowie eine Pyramide aus Piesberger Bruchsteinen beschädigte, um schließlich wieder im Bogen auf den A.-Weg zurückzufinden, auf dem er ohne anzuhalten davon fuhr.
Der angerichtete Fremdschaden betrug ca. 270 Euro. Am folgenden Mittag gegen 13.10 Uhr begab sich der Kläger an seinem Wohnort in B. zur Polizei und teilte den Sachverhalt mit. Am selben Tage meldete er den Unfall auch der Beklagten. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ist gem. § 153b Abs. 1 StPO i.V.m. § 142 Abs. 4 StGB eingestellt worden.
Der Kläger hat behauptet, er sei auf regennasser Fahrbahn beim Beschleunigen ins Schleudern geraten. Mit seiner Klage macht er den Reparaturkostenschaden von 9.114,86 Euro abzgl. 500 Euro Selbstbeteiligung, mithin 8.614,86 Euro, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 9.7.2002 geltend.
Die Beklagte hat sich u.a. darauf berufen, wegen Verletzung der vertraglichen Aufklärungsobliegenheit durch den Kläger leistungsfrei geworden zu sein.
Das LG hat die Klage durch das angefochtene Urteil, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, abgewiesen.
Mit seiner frist- und formgerecht eingelegten Berufung vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Darüber hinaus behauptet er nunmehr, er sei irrtümlich davon ausgegangen, dass er wegen des § 142 Abs. 4 StGB befugt gewesen sei, den Unfallort zu verlassen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
I. Die Beklagte beruft sich gem. § 6 Abs. 3 VVG i.V.m. § 7a I 3, V (4) ihrer AKB Stand 1.7.1999 zu Recht auf Leistungsfreiheit, weil der Kläger eine nach § 142 StGB strafbare Unfallflucht begangen und dadurch seine versicherungsvertragliche Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt hat.
1. Der Kläger hat eine nach § 142 StGB strafbare Unfallflucht begangen.
Er hat sich unstreitig nach dem Unfallereignis vom Unfallort entfernt, ohne dass die erforderlichen Feststellungen zu seiner Unfallbeteiligung getroffen werden konnten und ohne dass er diese Feststellungen unverzüglich nachträglich ermöglicht hätte.
Der Kläger hat auch vorsätzlich gehandelt. Soweit er nunmehr erstmals in der Berufungsbegründung behauptet, er sei irrtümlich davon ausgegangen, „dass er wegen dem im Jahr 1998 eingeführten § 142 Abs. 4 StGB befugt sei, den Unfallort zu verlassen”, ist dieser Vortrag nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass es sich ohnehin allenfalls um einen, den Vorsatz unberührt lassenden, vermeidbaren Verbotsirrtum handeln würde, ist der Kläger mit diesem Vorbringen in der Berufungsinstanz gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, weil die fehlende Geltendmachung dieser Tatsache in erster Instanz auf Nachlässigkeit des Klägers beruht.
Schließlich sind auch irgendwelche Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe nicht ersichtlich.
2. Hierdurch hat der Kläger seine versicherungsvertragliche Aufklärungsobliegenheit verletzt.
§ 142 Abs. 4 StGB steht dem nicht entgegen. Die Norm ist 1998 durch das 6. Strafrechtsreformgesetz eingeführt worden, um dem Täter im Interesse des Unfallgeschädigten an einer Schadenswiedergutmachung eine „goldene Brücke” zu bauen (BT-Drucks. 13/8587, 57). § 142 Abs. 4 StGB enthält für den Fall, dass der Täter innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig die Feststellungen nachträglich ermöglicht, als Regelung der tätigen Reue einen obligatorischen Strafmilderungsgrund bzw. fakultativen Strafa...