Rz. 43
Viele Geschädigte von Straftaten lassen sich sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich durch Rechtsanwälte vertreten. Dies gilt insbesondere bei Vermögensdelikten wie Betrug und Untreue oder auch den Strafvorschriften zum Schutz gewerblicher Rechte wie den Delikten im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb oder bei Urheberrechtsverletzungen usw. Der Rechtsanwalt erstattet in diesen Fällen regelmäßig eine Strafanzeige und stellt für seinen Mandanten einen ggf. notwendigen Strafantrag. Darüber hinaus begleitet er die Arbeit der Staatsanwaltschaft, indem er Sachstandsanfragen stellt oder sein Akteneinsichtsrecht gem. § 406e StPO wahrnimmt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse kann er für seinen Mandanten auch zivilrechtlich verwerten. In der Praxis dient der Anzeige erstattende Rechtsanwalt auch als Mittler zwischen dem Geschädigten und der Staatsanwaltschaft. Zwar wird der Geschädigte in aller Regel Zeuge der angezeigten Straftat sein, gleichwohl verzichtet die Staatsanwaltschaft häufig auf seine förmliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren und legt ihrer Sachbehandlung die Angaben in der Anzeige zugrunde. Erachtet sie diese für nicht ausreichend, wird sie normalerweise ergänzende Informationen über den Anzeige erstattenden Anwalt einholen. Dieser ist gut beraten, die Informationswünsche der Staatsanwaltschaft kurzfristig zu erledigen, will er nicht, dass sein Mandant zu einer zeitaufwendigen Vernehmung geladen wird.
Rz. 44
Stellt die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein, erhält der Rechtsanwalt des Geschädigten, sofern er Strafanzeige erstattet hat, einen Einstellungsbescheid. Gegen diesen kann der Rechtsanwalt für den Geschädigten gem. § 172 Abs. 1 StPO binnen zwei Wochen bei der Staatsanwaltschaft oder der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde einlegen. Gegen einen die Beschwerde zurückweisenden Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft kann der Rechtsanwalt binnen einem Monat nach Zustellung ein Klageerzwingungsverfahren gem. § 172 Abs. 2 StPO in Gang setzen.
Rz. 45
In den in § 395 StPO aufgeführten Fällen kann der den Geschädigten vertretende Rechtsanwalt eine Zulassung des Geschädigten als Nebenkläger beantragen bzw. sich einer erhobenen Anklage anschließen. Er kann dann den als Nebenkläger auftretenden Geschädigten anwaltlich vertreten. Das hat den Vorteil, dass der Geschädigte, der ansonsten im Strafverfahren lediglich Zeuge ohne eigene prozessuale Rechte ist, die in §§ 397, 399–401 StPO niedergelegten Rechte erhält. Von Bedeutung sind insbesondere das Recht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung trotz Zeugeneigenschaft sowie das Recht zur Befragung von Zeugen und Sachverständigen, das Recht zur Stellung eigener Beweisanträge, das Recht auf einen eigenen Schlussvortrag und das Recht, eigenständig ein Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Spielt der Geschädigte also im "normalen" Strafverfahren eine eher untergeordnete Rolle, wird er als Nebenkläger zu einem aktiven Prozessteilnehmer mit eigenen prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten. Zu seiner anwaltlichen Vertretung kann ihm ein Rechtsanwalt bestellt und Prozesskostenhilfe gem. § 397a StPO gewährt werden.