Rz. 52

Der Mensch benötigt eine gewisse Zeit, bis er auf das Erkennen einer Gefahr mit einer Abwehrhandlung reagieren kann. Diese (nicht mit einer fast nie zuzubilligenden Schreckzeit zu verwechselnde) Reaktionszeit ist individuell unterschiedlich und situationsabhängig. Sie beträgt mindestens 0,6 s und kann bis zu 1,5 s (lt. AK V, VGT 94, NZV 1994, 103 gar bis zu 2 s) betragen. Dabei können die höheren Werte nur dann angenommen werden, wenn es erst einer Blickzuwendung bedarf, um die Gefahr zu erkennen. So befindet sich z.B. der von links kommende Fußgänger zwar schon früh im peripheren Gesichtsfeld des Fahrers, dieser kann ihn aber erst nach einer so genannten Blickzuwendung eindeutig als Gefahr erkennen. Eine solche Blickzuwendungszeit kann in der Größenordnung von ca. 0,2 s in Ansatz gebracht werden und vergrößert unter Umständen die so genannte Vorbremszeit.

 

Rz. 53

Zu der Reaktionszeit und gegebenenfalls Blickzuwendungszeit wird darüber hinaus noch die so genannte Bremsschwellzeit von 0,2 s mit in die Vorbremszeit eingerechnet. Hierbei handelt es sich um die Zeit, die ab Betätigen des Bremspedals bis zum Einsetzen der Vollverzögerung benötigt wird. Bei Pkw beträgt sie üblicherweise 0,2 s, bei Motorrädern 0,3 s, bei Lkw mit Luftdruckbremsanlage und Anhängerbetrieb 0,4–0,6 s.

Normalerweise legen Sachverständige in ihren Berechnungen eine Vorbremszeit (Reaktions- und Bremsschwellzeit) von 1,0 s zugrunde.

 

Rz. 54

 

Tipp

Bei einem Unfall mit einem von links kommenden Fußgänger sollte eine über 1,0 s liegende Reaktionszeit gefordert werden, da diese sich günstig für die Verteidigung auswirkt, solange der wirkliche Reaktionsort nicht bekannt und dem Pkw-Fahrer keine überhöhte Ausgangsgeschwindigkeit nachgewiesen werden kann.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?