Rz. 19
Eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz oder eine (Rechts-)Verordnung ist nach dem Grundsatz der Subsidiarität nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die angegriffene Rechtsnorm selbst, gegenwärtig und unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen ist. Eine unmittelbare Betroffenheit liegt vor, wenn die angegriffene Vorschrift ohne einen weiteren vermittelnden Akt in den Rechtskreis des Beschwerdeführers einwirkt. Eine unmittelbar aus dem Gesetz folgende Beschwer ist ebenfalls gegeben, wenn das Gesetz den Betroffenen schon vor Erlass eines Vollzugsakts zu entscheidenden Dispositionen veranlasst, die er nach dem späteren Gesetzesvollzug nicht mehr nachholen oder korrigieren könnte. Auch bei unmittelbar gegen Rechtsnormen gerichteten Verfassungsbeschwerden erfordert der Grundsatz der Subsidiarität, Rechtsschutz zunächst bei den zuständigen Fachgerichten zu suchen, sofern die Verweisung an sie nicht im Einzelfall unzumutbar ist. Dadurch soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weit reichende Entscheidungen trifft. Ein Verzicht auf die fachgerichtliche Vorklärung relevanter Rechtsfragen kommt allenfalls dann in Betracht, wenn Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nur eine abstrakt abzuhandelnde, rein verfassungsrechtliche Frage wäre. Eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz ist unzulässig, wenn die Durchführung der Vorschrift einen besonderen Vollziehungsakt fordert und der Beschwerdeführer in anderer zumutbarer Weise einen wirkungsvollen Rechtsschutz, insbesondere zunächst durch Anrufung der Fachgerichte erlangen kann, etwa auch dadurch, dass ein Gericht, das die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt, das fachgerichtliche Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG (i.V.m. § 80 Abs. 2 BVerfGG) aussetzt und durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht dort eine Entscheidung herbeiführt. Ziel ist es dabei, dass nicht nur eine abstrakte Rechtsfrage an das Bundesverfassungsgericht herangetragen wird und evtl. noch ungeklärte Fragen zur Auslegung und Anwendung einer Norm sowie zu verschiedenen Fallkonstellationen vorliegen, sondern dass eine umfassende gerichtliche Vorprüfung gewährleistet ist und dem Bundesverfassungsgericht ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet wird und ihm die Fallanschauungen und Rechtsauffassungen der Fachgerichte vermittelt werden. Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Betroffener vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gegen eine straf- oder bußgeldbewehrte Rechtsnorm zunächst eine Zuwiderhandlung begeht und dann in dem Straf- oder Bußgeldverfahren die Verfassungswidrigkeit der Norm geltend macht. Sieht eine Regelung jedoch Ausnahmen vor, dann muss der Betroffene zunächst versuchen, eine solche Ausnahme zu erwirken, soweit dies nicht offensichtlich aussichtslos ist – und dies ggf. fachgerichtlich überprüfen lassen. Eine Verfassungsbeschwerde kann sich ausnahmsweise unmittelbar gegen ein vollziehungsbedürftiges Gesetz richten, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht beschreiten kann, weil er keine Kenntnis von der Maßnahme erlangt; Gleiches gilt, soweit eine nachträgliche Bekanntgabe zwar vorgesehen ist, von ihr aber aufgrund weitreichender Ausnahmetatbestände auch langfristig abgesehen werden kann und ein effektiver fachgerichtlicher Rechtsschutz nicht gewährleistet ist.