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Eine Verfassungsbeschwerde kann nur dann zur Entscheidung angenommen werden, wenn der Entscheidung grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt oder die Annahme der Verfassungsbeschwerde für die Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers insbesondere deshalb angezeigt ist, weil ihm durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entstehen würde, § 93a BVerfGG. Eine Durchsetzung ist nicht mehr angezeigt bei fehlender Wiederholungsgefahr und geringer Beschwer oder bei zwischenzeitlich erfolgter Klärung der Rechtslage auf fachgerichtlicher Ebene. Grundsätzliche Bedeutung ist nur gegeben, wenn die Sache eine verfassungsrechtliche Frage aufwirft, die sich nicht ohne weiteres aus dem Grundgesetz und auf der Grundlage der bisherigen Rspr. des Bundesverfassungsgerichts beantworten lässt, d.h. noch nicht durch die verfassungsrechtliche Rspr. geklärt oder die durch veränderte Verhältnisse erneut klärungsbedürftig geworden ist. Über die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Fragen müssen ernsthafte Zweifel bestehen; verfassungsrechtliche Bedenken reichen noch nicht aus. Anhaltspunkt für eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne kann sein, dass die Frage in der Fachliteratur kontrovers diskutiert oder in der Rspr. der Fachgerichte unterschiedlich beantwortet wird; das ist nicht (mehr) der Fall, sofern die fachrechtlichen Fragen (zwischenzeitlich) höchstrichterlich geklärt sind. Es muss sich um Grundsatzfragen handeln. An ihrer Klärung muss zudem ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse bestehen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn sie für eine nicht unerhebliche Anzahl von Streitigkeiten bedeutsam ist oder ein Problem von einigem Gewicht betrifft, das in künftigen Fällen erneut Bedeutung erlangen kann. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist nur dann angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder von grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft. Dazu muss die Grundrechtsverletzung auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeuten oder sie muss auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder auf einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruhen oder rechtsstaatliche Grundsätze krass verletzen.
Über die Annahme einer Verfassungsbeschwerde entscheidet regelmäßig nur eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts. Die Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde muss nicht begründet werden, § 93d S. 3 BVerfGG; demgemäß werden Ablehnungsentscheidungen nur in Ausnahmefällen mit (dann allerdings z.T. sehr ausführlichen) Begründungen versehen. Dagegen wird die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nicht immer durch eine förmliche Entscheidung dokumentiert, sondern dies ist i.d.R. daran erkennbar, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde den am fachgerichtlichen Verfahren Beteiligten sowie ggf. weiteren Institutionen und Organisationen (Bundesregierung, ggf. Landesregierung, Bundesgerichte, Berufs- und Interessenverbände, sachkundige Dritte etc.) zuleitet und Gelegenheit zur Äußerung gibt.
Die Kammer kann einer Verfassungsbeschwerde allerdings auch sogleich selbst stattgeben, wenn die Annahmevoraussetzungen vorliegen und wenn die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist, § 93c BVerfGG.