Rz. 26
Häufig wird von den Betroffenen pauschal die Behauptung erhoben, die zu überprüfende Entscheidung sei willkürlich. Eine Verletzung des Willkürverbots als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Willkür liegt demnach erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missgedeutet wird. Von willkürlicher Missdeutung kann dagegen nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt. Ein verfassungsgerichtliches Eingreifen gegenüber Entscheidungen der Fachgerichte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gleichheitssatzes in seiner Bedeutung als Willkürverbot kommt deshalb nicht schon bei jedem Fehler in der Rechtsanwendung, sondern nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Die Auslegung und Anwendung der einfach-rechtlichen Bestimmungen und damit auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtsschutzinteresse gegeben ist, obliegt also primär den jeweils zuständigen Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht dazu berufen, Entscheidungen anderer Gerichte einer allgemeinen inhaltlichen Nachprüfung zu unterziehen (keine Superrevisionsinstanz). Auch rechtfertigt nicht jedes unsorgfältige Arbeiten der Gerichte das Verdikt der Verfassungsverletzung. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot wird auch nicht schon durch eine fehlerhafte Gesetzesanwendung begründet; hinzukommen muss vielmehr, dass die zweifelsfrei fehlerhafte fachgerichtliche Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Ob eine solchermaßen krasse Fehlentscheidung vorliegt, ist anhand objektiver Kriterien festzustellen; schuldhaftes Handeln des Richters ist nicht erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht kann erst korrigierend tätig werden, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere, wenn es mit der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts nicht zu vereinbaren ist oder wenn es sachlich schlechthin unhaltbar ist und somit Willkür vorliegt; bzw. wenn Anhaltspunkte für eine willkürliche Wertung bestehen oder sonst wie erkennbar ist, dass grundrechtlich geschützte Positionen in grundsätzlicher Weise verkannt worden sind. Das Willkürverbot ist bei einer nicht begründeten Abweichung von der höchstrichterlichen Rspr. verletzt. Bei eingeräumtem Ermessen besteht ein Anspruch auf pflichtgemäße und sachgerechte Ermessensausübung. Der fachgerichtliche Spielraum ist insbesondere dann überschritten, wenn das Gericht bei der Gesetzesauslegung und -anwendung in offensichtlich nicht zu rechtfertigender Weise den vom Gesetzgeber gewollten und im Gesetzestext ausgedrückten Sinn des Gesetzes verfehlt oder das zu berücksichtigende Grundrecht völlig unbeachtet gelassen hat. Die Auslegung eines Gesetzes ist willkürlich, wenn diesem ein Sinn unterlegt wird, den der Gesetzgeber offensichtlich nicht hat verwirklichen wollen, den er nicht ausgedrückt und den das Gesetz auch nicht im Verlaufe einer Rechtsentwicklung aufgrund gewandelter Anschauungen erhalten hat. Das Fachgericht hat auch das grundrechtsgleiche Recht auf prozessuale Waffengleichheit zu beachten.