Rz. 52
Nach den dargestellten Grundsätzen ist der Anspruch mit Verstreichenlassen der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG aufschiebend bedingt entstanden. Wie das Schicksal des Anspruchs sich entscheidet, wenn der Arbeitnehmer nach Verstreichenlassen der Klagefrist die Möglichkeit des § 5 KSchG wählt, ist streitig. Nach einer Ansicht soll der Anspruch des Arbeitnehmers "entfallen", weil der rechtliche Grund hierfür entfalle. Richtigerweise ändert die nachträgliche Klagezulassung aber nichts daran, dass der Anspruch mit Verstreichenlassen der Klagefrist entstanden ist. Sowohl die verspätet mit einem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung erhobene Klage wie auch die einfach nur verspätet erhobene Klage lassen aber erkennen, dass der Arbeitnehmer die nach § 1a KSchG gesetzlich fingierte Willenserklärung so nicht abgeben wollte, sich also im Irrtum über den Erklärungsinhalt seiner Erklärung befand. Er ficht daher durch die verspätete Klageerhebung diese gesetzlich fingierte Erklärung an und macht sie damit nichtig und unwirksam. Im Ergebnis entfällt damit auch der Abfindungsanspruch. Für den Arbeitgeber liegt überdies ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vor. Geschäftsgrundlage des Vertrages war es, dass es nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen sollte.
Rz. 53
Das BAG hat mittlerweile klargestellt, dass im Falle des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung der – bereits entstandene – Anspruch auf die Abfindung entfällt: Die gesetzliche Regelung will gerichtliche Auseinandersetzungen der Arbeitsvertragsparteien vermeiden und den Parteien eine einfache, effiziente und kostengünstige außergerichtliche Option zu einem fairen Interessenausgleich zur Verfügung stellen. Diesem Zweck entspricht es, einem Arbeitnehmer die Abfindung zu versagen, wenn er eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet hat. Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte (Kündigungsschutz-)Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG. Zwar regele, so das BAG, § 1a Abs. 1 KSchG diesen Fall nicht ausdrücklich. Aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung folge aber, dass ein Anspruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit der Antragstellung auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage entfalle. Der Arbeitgeber sähe sich ansonsten durch den nachträglichen Klagezulassungsantrag nunmehr doch mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses konfrontiert, die er gerade mit dem Angebot einer Abfindungszahlung vermeiden wollte. Dasselbe gilt dann, wenn die Klage verspätet erhoben, aber nicht mit einem Antrag auf nachträgliche Zulassung verbunden wird, z.B. deswegen, weil der Arbeitnehmer der Auffassung ist, die Klagefrist sei gewahrt. Der Gegenansicht, die den Abfindungsanspruch dann retten möchte, wenn der Arbeitnehmer verspätet Kündigungsschutzklage erhebt, gleichzeitig aber außergerichtlich dem Arbeitgeber deutlich macht, dass es ihm mit der Klage nur um einen Vergleichsabschluss vor Gericht zur Titulierung seiner Abfindungsforderung geht, ist deshalb nicht zuzustimmen.
Rz. 54
So zutreffend das Ergebnis ist, so wenig überzeugend ist die dogmatische Begründung, die das BAG findet: Das BAG distanziert sich nämlich davon, dass der Anspruch mit Ablauf der Klagefrist des § 4 KSchG bereits (aufschiebend bedingt) entsteht, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, das Entfallen eines bereits entstandenen Anspruchs sei nicht erklärlich. Es begründet dann das – richtige – Ergebnis damit, dass kein "Verstreichenlassen der Klagefrist" vorliege. Angesichts des klaren Verweises auf § 4 KSchG, der allein auf das objektive Verstreichen der Frist abstellt und nicht auf subjektive Momente beim Arbeitnehmer, überzeugt dies nicht.
Rz. 55
Sollte bereits eine Abfindung gezahlt worden sein, so kann der Arbeitgeber diese nach §§ 346 ff. BGB rückfordern.