Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 3
Ein von einem RA verfasstes Mahnschreiben oder eine Zahlungsaufforderung nennt man anwaltliches Aufforderungsschreiben.
Meistens hat der RA den Auftrag, einen Schuldner schriftlich zu mahnen und zur Zahlung seiner Schulden anwaltlich aufzufordern. Für ein solches anwaltliches Aufforderungsschreiben sprechen in der Regel zwei Gründe, die sich aus der Berücksichtigung gesetzlicher Bestimmungen ergeben und dazu noch ein praktischer Gesichtspunkt:
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Das Aufforderungsschreiben hat oft den Zweck, den Schuldner durch Mahnung wirksam in Verzug zu setzen (§ 286 Abs. 1 BGB), falls dies nicht schon durch den Gläubiger selbst wirksam erfolgt ist. |
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Weiterhin dient das Aufforderungsschreiben meist dazu, dem Schuldner klarzumachen, dass er ernsthaft mit gerichtlichen Schritten des Gläubigers rechnen muss, falls er nicht zahlt. Wenn er es dann trotzdem zu einem Verfahren kommen lässt, wird ihm damit die Möglichkeit genommen, die eingeklagte Forderung sofort anzuerkennen, was sonst nach § 93 ZPO ("sofortiges Anerkenntnis") zur Folge hätte, dass der Gläubiger die Verfahrenskosten selbst tragen müsste. |
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Letztlich lassen viele Gläubiger ihrem Schuldner ein Aufforderungsschreiben durch einen RA übersenden, weil sie sich davon versprechen, dass ein von einem RA abgeschicktes Schreiben den Schuldner so sehr beeindrucken und ihm Angst einjagen werde, dass er daraufhin zur Zahlung bereit sei. |
Rz. 4
Es gibt zwei grundsätzliche Arten von anwaltlichen Aufforderungsschreiben, die sich durch ihren Inhalt und durch die für sie anfallenden Gebühren unterscheiden:
(1) |
Bei dem anwaltlichen Aufforderungsschreiben ohne Klageandrohung hat der RA (noch) keinen Klageauftrag bzw. keinen Auftrag gerichtliche Schritte einzuleiten. |
(2) |
Bei dem anwaltlichen Aufforderungsschreiben mit Klageandrohung hat der RA bereits Klageauftrag. Anstelle einer Klage könnte auch das gerichtliche Mahnverfahren angedroht werden. Es könnten auch nur gerichtliche Schritte angedroht werden. |
Bereits an dieser Stelle soll auf den inhaltlichen Unterschied zwischen den beiden Arten von Aufforderungsschreiben hingewiesen werden. Im Prinzip unterscheiden sich die Aufforderungsschreiben nur in einem einzigen Satz:
(1) |
Im Aufforderungsschreiben ohne Klageandrohung findet sich dem Sinne nach diese Aussage: "Sollten Sie nicht … zahlen, werde ich meinem Mandanten empfehlen, gegen Sie Klage einzureichen."" |
(2) |
Im Aufforderungsschreiben mit Klageandrohung ist sinngemäß folgender Satz enthalten: "Sollten Sie nicht … zahlen, werde ich gegen Sie die Klage einreichen, zu der ich bereits beauftragt wurde", oder noch stärker "… die Klage einreichen, die bereits gegen Sie vorbereitet ist." Anstelle einer Klage könnte auch das gerichtliche Mahnverfahren oder nur einfach gerichtliche Schritte angedroht werden. |
Rz. 5
Aus dem inhaltlichen Unterschied ergibt sich als gebührenrechtliche Folge eine unterschiedliche Gebührenberechnung.
Beispiel:
RAin Seefeldt wird von Frau Soffel gebeten, von dem säumigen Schuldner Faulstich die fällige Forderung einzutreiben, was durch Absendung eines Aufforderungsschreibens geschieht. Der Faulstich zahlt daraufhin. Wie soll nun diese Tätigkeit gebührenrechtlich eingeordnet werden?
Das Aufforderungsschreiben der RAin könnte sowohl Gebühren nach Nr. 2300 VV RVG (bzw. nach Nr. 2301 VV RVG) oder auch nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG (bzw. nach Nr. 3306 VV RVG) verursacht haben. Jede dieser vier Möglichkeiten kann zu Gebühren in unterschiedlicher Höhe führen. Deshalb kann es nicht egal sein, zu welcher Lösung man sich entscheidet.
Grundsätzlich kommt es bei der Berechnung der Anwaltsgebühren darauf an, welchen Auftrag der Mandant seinem RA erteilt hat. Der RA darf nur Tätigkeiten ausüben, zu denen er beauftragt wurde. Wurde der RAin im Beispielsfall bereits Prozessauftrag erteilt, so kann sie keine Gebühren aus dem Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses des RVG erheben, also nicht die Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG oder nach Nr. 2301 VV RVG, da diese Vorschriften grundsätzlich nur in außergerichtlichen Angelegenheiten Anwendung finden. Hat die RAin dagegen keinen Prozessauftrag erhalten, so kann sie in vorstehendem Beispiel keine Gebühren aus dem Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses des RVG berechnen, also nicht die Gebühr nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG (bzw. nach Nr. 3306 VV RVG bei Auftrag zum Mahnverfahren), da diese Vorschrift nur für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten (gemeint ist hier der Zivilprozess) anwendbar ist. In obigem Beispiel hat die RAin also versäumt, sich einen eindeutigen Auftrag erteilen zu lassen!
Merke:
Im Wesentlichen hängt es vom Inhalt des erteilten Auftrages ab, auf welche Weise der RA zur Erledigung der Angelegenheit vorgehen soll und welche Gebühren dann für diese Tätigkeit entstehen.
Rz. 6
In Forderungsangelegenheiten wird es nun unterschiedliche Gründe geben, warum Klienten einen Anwalt aufsuchen und sie werden auch unterschiedliche Tätigkeiten von ihm erwarten:
(1) |
Wenn der RA den Auftrag erhält, eine unstrittige Forderung außergerichtlich einzutreiben,... |