Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
Rz. 147
Der Patient hat vor Gericht den Nachweis zu führen, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, ein Schaden eingetreten ist, der behandlungsfehlerursächlich für den Schaden war, den Arzt Verschulden trifft, der Behandlungsfehler von ihm also mindestens fahrlässig verursacht wurde. Demgegenüber stehen jedoch auch Beweislasten des Arztes gegenüber, und zwar in folgenden Fällen:
aa) Darlegung regelgerechter Behandlung
Rz. 148
Auch wenn die Beweislast grundsätzlich auf Patientenseite liegt und der Arzt lediglich unter Beachtung des § 138 ZPO vortragen muss, sollte die Arztseite stets darlegen, dass die Behandlung dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprochen hat.
bb) Grober Behandlungsfehler
Rz. 149
Die Konsequenz aus der Feststellung eines groben Behandlungsfehlers ist, dass der Arzt seinerseits den Nachweis führen muss, dass der schwere Behandlungsfehler nicht kausal für den eingetretenen Schaden war. Nach neuester Rechtsprechung des BGH soll es zur Beweislastumkehr beim groben Behandlungsfehler auch bei Eintritt eines noch unbekannten Gesundheitsschadens kommen sowie bei Verletzung der elementaren medizinischen Grundregeln. Das unbemerkte Zurücklassen eines Bauchtuchs im Bauchraum soll nunmehr keinen groben Behandlungsfehler mehr darstellen. Gelingt dem Arzt dieser Nachweis nicht, ist von einer Ursächlichkeit des schweren Behandlungsfehlers für den festgestellten Schaden auszugehen, solange der Behandlungsfehler generell geeignet ist, den entsprechenden Schaden herbeigeführt zu haben.
cc) Fehlendes Verschulden des Arztes
Rz. 150
Kommt es ausnahmsweise z.B. im Rahmen des vollbeherrschbaren Risikos zu einer Verschuldensvermutung zu Lasten des Arztes, so ist der Arzt hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens in der Pflicht, sich vollständig zu entlasten. Allerdings muss der Arzt nicht den vollen Gegenbeweis führen, sondern es ist ausreichend, wenn es ihm gelingt, den vermuteten Zusammenhang und den vermuteten Fehler durch einen zweiten Anschein substantiiert zu entkräften.
dd) Fehlender Facharztstandard
Rz. 151
Der Patient hat beim Aussuchen von Krankenhaus oder Praxis einen Anspruch auf eine gute ärztliche Versorgung nach Maßstab eines erfahrenen Arztes der jeweiligen Fachgruppe, regelmäßig also Anspruch auf Behandlung durch einen Facharzt. Wird nun der Patient einer Behandlung zugeführt, die nicht einem fachärztlichen Standard entspricht, stellt bereits diese Behandlung einen Behandlungsfehler dar. Allerdings unterliegt die Abweichung des medizinischen Standards in den Grenzen der Vereinbarung der Parteien. Der weitere Nachweis einer objektiv fehlerhaften Behandlung ist unter diesen Voraussetzungen dann nicht mehr erforderlich. Die Rechtsprechung vermutet vielmehr in den Fällen, bei der während oder nach einer Behandlung oder Nichteinhaltung eines fachärztlichen Standards bei einem Patienten eine Verletzung auftritt, dass bereits die Nichtgewährung des hier erforderlichen Leistungsstandards ursächlich für die dann eingetretene Verletzung gewesen sei. In diesen Fällen muss der beklagte Arzt beweisen, dass dieselbe Verletzung auch dann noch eingetreten wäre, wenn bei der Behandlung der individuell-konkrete Facharztstandard gewährleistet worden wäre.
ee) Mitwirkendes Verschulden des Patienten und Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht
Rz. 152
Wendet der Arzt mitwirkendes Verschulden des Patienten ein, so muss er dies auch vollumfänglich beweisen. Dies bedeutet, dass sowohl das Fehlverhalten des Patienten bewiesen werden muss als auch die Ursächlichkeit dieses Verhaltens für den in Rede stehenden Gesundheitsnachteil. Wenn der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann, und zwar deshalb, weil der Patient durch schuldhaftes Verhalten den Heilerfolg vereitelt hat, dann verbleibt es bei der regelhaften Beweislastverteilung auf der Kausalitätsebene. Es kommt also nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Allerdings gilt auch hier, dass dies von der Arztseite mit den Anforderungen des § 286 ZPO zu beweisen ist, denn der Arzt trägt die Beweislast für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht.
ff) Beweis für Aufklärung und Einwilligung
Rz. 153
Die Behandlungsseite trägt die Beweislast für die Aufklärung und Einwilligung des Patienten in einen Heileingriff. Für beides gilt das Beweismaß des § 286 ZPO. In diesem Zusammenhang reicht es allerdings auch aus, wenn nachgewiesen werden kann, wie die ständige Praxis bei Aufklärungsgesprächen ist.
gg) Beweis der hypothetischen Einwilligung
Rz. 154
Der Arzt hat den Einwand vorzubringen, dass der Patient auch in die durchgeführte Maßnahme eingewilligt hätte, wenn er o...