Rz. 62

Die Dokumentation der Krankenunterlagen hat keinen Selbstzweck, schon gar nicht dient sie der Beweissicherung für eine forensische Auseinandersetzung; sie dient in erster Linie der Sicherheit des Patienten.[198]

Der Umfang der Dokumentationspflicht wird durch das "medizinisch Notwendige" bestimmt, d.h. es sind "nur" die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen zu dokumentieren. Eine Dokumentation in Stichworten reicht. Der Nachbehandler muss allerdings trotz stichwortartiger Aufzeichnungen das Behandlungsgeschehen nachvollziehen können.[199] Zu dokumentieren sind die Anamnese, sämtliche erhobenen Befunde, ärztliche Anordnungen und Verordnungen sowie Anweisungen an die Funktions- und Behandlungspflege. Ferner sind die Verlaufsdaten (Operationsbericht, Narkoseprotokoll, ärztliche Verlaufskontrollen) zu dokumentieren.[200] Grundsätzlich sind auch Zwischenfälle zu dokumentieren. Die Dokumentation muss zeitnah erfolgen,[201] was in der Praxis nicht immer möglich ist (z.B. bei Notfallbehandlungen, bei denen zunächst die Behandlung im Vordergrund steht).

Der Arzt muss Auskunft darüber geben, welche Sicherungs- und Schutzmaßnahmen er bei elektronischer Datenspeicherung einsetzt, um nachträgliche Veränderungen zu verhindern. Nachträgliche Änderungen und Berichtigungen sind zulässig, jedoch muss der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleiben.[202] Ist der Arzt der ihm berufsrechtlich auferlegten Verpflichtung[203] zur Sicherung seiner Aufzeichnungen vor nachträglichen Veränderungen nicht nachgekommen, relativiert sich deren Beweiswert.[204] Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Abs. 1 oder Abs. 2 BGB nicht aufgezeichnet oder die Patientenakte entgegen § 630f Abs. 3 BGB nicht aufbewahrt, wird vermutet, dass er diese Maßnahmen nicht getroffen hat.[205]

 

Rz. 63

Hohe Anforderungen stellt der BGH an die Dokumentationspflicht bei selbstständigem Operieren eines noch in Facharztausbildung stehenden Arztes, auch bei Routineeingriffen.[206]

Befunde mit negativem Ergebnis sind zu dokumentieren, wenn sie für die Diagnostik und die Therapie wichtig sind.[207]

[198] BGH NJW 1985, 2365; BGH NJW 1988, 762; ferner BGH NJW 1994, 799; OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 240; OLG Hamburg MDR 2002, 1315; Thüringer OLG GuP 2012, 1559; OLG München v. 16.7.2019 – 24 U 2814/19 zum Anspruch auf Berichtigung des Arztbriefes.
[199] BGH NJW 1992, 1560.
[200] Dazu ausführlich: Martis/Winkhart, m. vielen Fallbeispielen, D 204 ff.
[203] Vgl. § 10 Abs. 5 S. 1 MBO-Ä.
[204] BGH MDR 1998, 535; OLG Hamm GesR 2005, 349; Rehborn, MDR 2000, 1110; Jorzig, MDR 2001, 481 ff.
[206] BGH NJW 1985, 2193.
[207] Bejahend die Rspr. z.B. für die Dokumentationspflicht eines negativen Befundes bei Kontrolle des Knies auf Überwärmung und Rötung bei Verdacht auf bakterielle Infektion nach Arthroskopie: OLG Stuttgart VersR 1998, 1505; Dokumentationspflicht der Vorgehensweise bei Schulterdystokie: ebenfalls OLG Stuttgart VersR 1999, 1582.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?