Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftspflicht eines Arztes, dem ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt es bei einem zahnärztlichen Eingriff zu einem Narkosezwischenfall, den der Patient dem vom Zahnarzt zugezogenen Anästhesisten anlastet, besteht ein vertraglicher Auskunftsanspruch allenfalls gegen den Zahnarzt, weil der Anästhesist nicht Vertragspartner des Patienten, sondern Erfüllungsgehilfe des Zahnarztes ist.
2. Ein denkbarer Schadensersatzanspruch gegen den Anästhesisten aus unerlaubter Handlung gibt dem Patienten keinen Auskunftsanspruch zu den an der Behandlung beteiligten Hilfspersonen und deren Qualifikation.
3. Neben der Dokumentationspflicht besteht für den Arzt keine allgemeine umfassende Auskunftsplicht. Eine solche ergibt sich auch nicht aus Dokumentationsmängeln.
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 04.08.2003; Aktenzeichen 4 O 79/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 4.8.2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Trier wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu je 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerinnen können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages anwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaften eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts erfolgen.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerinnen sind die Erben des am 31.7.2002 verstorbenen O.B.K.
Er befand sich am 9.11.2001 in der Zahnarztpraxis des Dr. D.V. in Trier. Dieser führte ambulant eine Zahnoperation durch zu dem Zweck, Zahnimplantate einzusetzen.
Der Beklagte, selbständiger Arzt für Anästhesie, nahm die für den Eingriff erforderliche Vollnarkose vor, überwachte den Patienten und übernahm auch die postoperative Nachüberwachung. In dieser Phase kam es zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand. Hierdurch erlitt O.B.K. einen schweren hypoxischen Hirnschaden, von dem er sich nicht mehr erholte.
Auf anwaltliche Anforderung überreichte der Beklagte seine anästhesiologischen Behandlungsunterlagen (Bl. 63–72 GA). Danach bat O.B.K. durch seine Prozessbevollmächtigten um ergänzende Auskunft entspr. einem ausführlichen Fragenkatalog (Bl. 31–33 GA) und drohte nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist die Erhebung einer Auskunftsklage an (Zugang streitig – Bl. 34 GA).
Ob die Prozessbevollmächtigten des O.B.K., die in dem Schreiben des Beklagten vom 18.2. (Bl. 73/74 GA) niedergelegten Auskünfte erhalten haben, ist zwischen den Parteien umstritten (vgl. auch Protokoll Bl. 116/117 GA).
O.B.K. ließ Auskunftsklage erheben mit den einzelnen in der Klageschrift formulierten Klageanträgen 1a)–1g) (Bl. 20–22 GA).
Nach seinem Tod haben die Klägerinnen als Erben den Prozess aufgenommen (Bl. 129/130 GA) und sodann den Rechtsstreit in der Hauptsache – einseitig – für erledigt erklärt (Bl. 117 GA).
Sie haben vorgetragen:
Zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen seien die Auskünfte erforderlich gewesen. Die Auskunftspflicht folge aus dem Behandlungsvertrag und sei nicht schon dadurch erfüllt, dass der Beklagte die Behandlungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe. Diese vermittelten zum Vorfall nach der Operation keine in sich widerspruchsfreie Erklärung.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten.
Das LG hat die auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache umgestellte Klage abgewiesen (Bl. 119–123 GA). Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Unbegründet seien die Anträge zu l), m) und o), weil darin nicht die Mitteilung von Tatsachen begehrt werde. Vielmehr solle der Beklagte, ähnlich wie ein Gutachter, seine Medikation begründen und eine medizinische Bewertung des Narkosezwischenfalls abgeben.
Den Anträgen j), k), p) und g) fehle ein schutzwürdiges Interesse, denn die Rechte des Patienten seien durch die Möglichkeit der Einsicht in die Dokumentation ausreichend gewahrt. Schließlich sei es unzumutbar, den Arzt schon vor einem Prozess mit der Darlegung aller Tatsachen zu belasten, die in einem sich anschließenden Haftungsprozess relevant werden könnten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerinnen, die im Wesentlichen geltend machen (Bl. 149–158 GA):
Im Rahmen dienstvertraglicher Beziehungen bestehe nach Treu und Glauben und kraft Gewohnheitsrecht eine Auskunftspflicht, wenn es die vertraglichen Rechtsbeziehungen mit sich brächten, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen sei und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben könne.
Dieser Grundsatz sei auf den Behandlungsvertrag zu übertragen. Nur aufgrund der Auskunft könnten die Erfolgsaussichten eines Arzthaftungsprozesses abgeschätzt werden.
Die Fragen zielten auf das mitwirkende...