Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
Rz. 24
Organisationspflichtverletzungen im Haftpflichtprozess nehmen immer mehr an Bedeutung zu: Die Haftung des Krankenhauses/Krankenhausträgers tritt in den Vordergrund. Der Krankenhausträger haftet entweder für Versäumnisse des behandelnden Arztes oder aber für eigene Versäumnisse. Im letzteren Fall spricht man von einer Haftung für Organisationsverschulden. Eine Verletzung von Organisationspflichten des Krankenhausträgers führt also zu einer Haftung aus Organisationsverschulden.
(1) Organisationspflichten des Krankenhausträgers allgemein
Rz. 25
Krankenhäuser sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht Dienstleistungsbetriebe im Bereich von Diagnostik, Therapie, Pflege, Betreuung, Unterbringung und Versorgung von Patienten. Die lege artis durchgeführte Versorgung des Patienten im Krankenhaus wird durch ein Zusammenwirken von ärztlichem, pflegerischem und medizinisch-technischem Personal gewährleistet. Der reibungslose Ablauf dieses Zusammenwirkens stellt höchste Anforderungen an die Organisation und Arbeitsteilung. Es bedarf einer sämtliche Arbeitsvorgänge begleitenden angemessenen Organisation. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an den Krankenhausträger und nimmt keinerlei Rücksicht z.B. auf personelle und/oder sachliche Engpässe. Kritisch für jeden Einzelfall prüft die Rechtsprechung, was der Patient im konkreten Fall an medizinischem Standard erwarten durfte. Allerdings erkennt die Rechtsprechung dabei unterschiedliche Standards für die personellen, räumlichen und apparativen Behandlungsbedingungen der einzelnen Krankenhäuser (Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung, Universitätskliniken) an. Je größer die Zahl der an der Diagnose und Therapie beteiligten Ärzte, Techniker und Hilfskräfte, je komplizierter das arbeitsteilige Geschehen im Krankenhaus, desto mehr Anforderungen sind an Koordination und Kontrolle gestellt. In allen Dienstleistungsteilbereichen lauern Haftungsgefahren.
(2) Haushalts- oder Wirtschaftsplanung
Rz. 26
Der Krankenhausträger hat für die räumliche, personelle und sachliche Ausstattung der Klinik zu sorgen. Die Ausstattung muss der spezifischen Aufgabenstellung entsprechend ausfallen. Organisationsstrukturen müssen angemessen sein und effektive Arbeit gewährleisten.
(3) Personalstruktur
Rz. 27
Der Krankenhausträger ist verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die von ihm aufgestellten Organisationsstrukturen durch entsprechende Instruktionen und Überwachung des von ihm eingesetzten ärztlichen und nicht-ärztlichen Personals tatsächlich umgesetzt werden. Setzt ein Krankenhausträger z.B. übermüdete Ärzte bei der Behandlung ein, dann trägt er im Schadensfall die Beweislast dafür, dass die bei dem Patienten eingetretene Gesundheitsschädigung nicht auf die Übermüdung des eingesetzten Arztes zurückzuführen ist. Fachärzte, die sich über Jahre bewährt haben, sind nach herrschender Rechtsprechung nur insoweit zu überwachen, wie sich bei der weiteren Entwicklung Anhaltspunkte dafür bieten, dass deren Qualität gesunken ist. In einem Belegkrankenhaus ist der Krankenhausträger dafür verantwortlich, dass im pflegerischen Bereich alle organisatorischen Maßnahmen getroffen werden, um die ärztliche Versorgung in den einzelnen Belegabteilungen sicherzustellen. Das Belegkrankenhaus muss im Rahmen seiner Organisationspflicht auch gegen eine Handhabung einschreiten, durch welche der Belegarzt dem Pflegepersonal des Belegkrankenhauses Aufgaben überlässt, die die pflegerische Kompetenz übersteigen.