Dr. Alexandra Jorzig, Ilse Dautert
Rz. 7
§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB eröffnet die Haftung auch gegen denjenigen Arzt, der die Schädigung eines Patienten nicht unmittelbar verursacht hat. Diese Haftung entsteht aus einer Einstandspflicht des Arztes als Geschäftsherr für eine Verletzungshandlung seines Gehilfen. Die Geschäftsherrenstellung des Arztes ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag, da dieser vom Geschäftsherrn mit dem Patienten abgeschlossen und in seiner Verantwortung ausgeführt wird. Der niedergelassene Arzt oder der Krankenhausträger haften somit auch für die bei ihnen beschäftigten und in ihrer Verantwortung stehenden ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter. So ist z.B. der Praxisinhaber Geschäftsherr seines Urlaubsvertreters, auch wenn dieser die Behandlung eines Patienten nach eigener Wahl der Therapieform vornimmt. Zu den Verrichtungsgehilfen eines niedergelassenen Arztes zählen sein ärztlicher Vertreter, alle ärztlichen und nichtärztlichen Mitarbeiter, also Assistenten, Arzthelferinnen usw., die bei ihm beschäftigt sind und unter seiner Verantwortung stehen. Die Ärzte einer Gemeinschaftspraxis untereinander stellen hingegen keine Verrichtungsgehilfen des jeweils anderen dar. Im Bereich der stationären Behandlung richtet sich die Stellung des Verrichtungsgehilfen nach dem zugrunde liegenden Krankenhausvertrag: Grundsätzlich sind bei einem totalen Krankenhausvertrag das gesamte ärztliche und nichtärztliche Personal, wie z.B. Krankenschwestern, als Verrichtungsgehilfen anzusehen. Diese Vorschrift ist in ihrer Bedeutung deutlich zurückgetreten, da § 278 BGB i.V.m. 253 Abs. 2 BGB in den Vordergrund getreten ist. Wesentlich ist diese Vorschrift lediglich für sog. Altfälle, das heißt für Fälle, die vor 2002 (also vor der Schuldrechts- und Schadensersatzreform) liegen.
Nicht zu den Verrichtungsgehilfen zählen bspw. der Belegarzt und die selbstständige Beleghebamme, da es sich hier um einen gespaltenen Krankenhausvertrag des Patienten mit dem Krankenhausträger handelt: Der Patient schließt mit dem Belegarzt oder der Beleghebamme einen eigenen Behandlungsvertrag. Bedient sich der Belegarzt bei der Behandlung weiterer ärztlicher Mitarbeiter, sei es aus seinem eigenen Personalstab oder aus dem Kreis der im Krankenhaus angestellten Ärzte derselben Fachrichtung, sind alle von ihm hinzugezogenen Mitarbeiter als Verrichtungsgehilfen einzuordnen. Die dem Belegarzt nachgeordneten Ärzte eines anderen Fachgebiets oder die sonstigen nichtärztlichen Mitarbeiter des Krankenhauses, die auch bei der Behandlung tätig werden, sind hingegen als Verrichtungsgehilfen des Krankenhausträgers einzuordnen.
Da hauptsächlich bei der Einordnung als Verrichtungsgehilfe auf die Weisungsgebundenheit abgestellt wird, sind weisungsfrei arbeitende leitende Ärzte, wie z.B. der Chefarzt eines Krankenhauses, im Vertretungsfall auch dessen zuständiger Vertreter sowie der hinzugezogene, niedergelassene Arzt in den Fällen, dass ein Arzt oder ein Krankenhaus sein Auftraggeber ist (Konsiliar), ebenfalls keine Verrichtungsgehilfen des Krankenhauses.
An den Entlastungsbeweis des niedergelassenen Arztes und insbesondere des Krankenhausträgers hinsichtlich seiner Überwachungs- und Organisationspflichten werden derart strenge Anforderungen gestellt, dass sich die Haftung aus § 831 BGB einer vertraglichen Haftung für den Erfüllungsgehilfen durch die Zurechnungsnorm aus § 278 BGB annähert und sich im Ergebnis nur geringfügige Unterschiede zwischen den Haftungsmaßstäben ergeben.