Dr. iur. Stephanie Herzog, Matthias Pruns
Rz. 28
Generell müssen die Regelungen der Anbieter, um wirksam zu sein, der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB standhalten. Die §§ 309 und 308 BGB sind durch die im Zusammenhang mit dem digitalen Nachlass (sei es auch nur mittelbar, siehe oben Rdn 6 ff.) zu findenden Klauseln, nicht berührt. Sie sind daher allein an § 307 BGB zu messen.
Rz. 29
Lange/Holtwiesche weisen darauf hin, für den Bereich des digitalen Nachlasses existiere gerade keine dispositive Gesetzeslage. Sie schlussfolgern daraus, dass es daher vor dem Hintergrund des § 307 BGB zulässig ist, im Wege vertraglicher Vereinbarung die Vererblichkeit auszuschließen. Dem ist entgegenzuhalten, dass es auf die dispositive Gesetzeslage allein i.R.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ankommt. Es geht aber i.R.v. § 307 BGB nicht nur um eine Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken der dispositiven Gesetzeslage, sondern darum, dass eine Klausel den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dies kann deshalb der Fall sein, weil die Bestimmung nicht klar und verständlich ist (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) oder wenn sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Vertragstypen, die gesetzlich nicht geregelt sind, sind der Inhaltskontrolle damit nicht von vorneherein entzogen.
a) Gedenkzustand als Leistungsbeschreibung?
Rz. 30
Wer Regelungen wie solche von Facebook darüber, dass der Account unter gewissen Voraussetzungen nach dem Tode in den sog. "Gedenkzustand" versetzt wird, mit dem Kammergericht als bloße Leistungsbeschreibung i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB ansieht, in der Facebook seine Dienste als grds. personenbezogen und auf die Lebenszeit beschränkt, und sie deshalb der Inhaltskontrolle entzieht, der muss folgerichtig auch davon ausgehen, dass solcherlei Regelungen über einen Gedenkzustand nichts zur Vererblichkeit als solcher sagen; denn sonst handelte es sich eben nicht um eine reine Leistungsbeschreibung.
b) Unvererblichkeit von Accounts: Unangemessene Benachteiligung
Rz. 31
Nutzungsbedingungen, die die Vererblichkeit generell ausschließen, werden von der Literatur überwiegend für nach § 307 BGB unwirksam gehalten. Das LG Berlin hat dies – entgegen dem Kammergericht – auch für die Regelungen zum sog. "Gedenkzustand" bei Facebook angenommen:
Zitat
"Die in den Nutzungsbedingungen der Beklagten getroffene Regelung, dass eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste eine Versetzung des Profils in den Gedenkzustand veranlassen kann und eine Anmeldung des Kontos selbst mit gültigen Zugangsdaten für die Erben dann nicht mehr möglich ist, stellt eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer und ihrer Erben gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB dar (so auch Herzog, Der digitale Nachlass, NJW 2013, 3745, 3751), denn sie beschränkt in pauschaler Weise die grundsätzlich von der Rechtsordnung in § 1922 BGB vorgesehene Vererblichkeit eines Rechts zum einen dadurch, dass Dritte unabhängig von ihrer Erbenstellung mit der Beantragung des sog. Gedenkzustands die Möglichkeit haben, den Erben des Nutzers den Zugang zu ihnen zustehenden Inhalten unmöglich zu machen. Zum anderen kommt der Gedenkzustand in der Form, wie er von der Beklagten ausgestaltet ist, nämlich ohne die Möglichkeit der Erben, diesen Zustand im Einzelfall rückgängig zu machen (diese Option ist nur vorgesehen für Fälle, in denen versehentlich der Gedenkzustand eines Profils einer noch lebenden Person aktiviert wurde), einem ,Untergehen‘ des zum Nachlass gehörenden Accounts gleich. Etwaige von einem Erblasser im Rahmen einer letztwilligen Verfügung getroffene Handlungsanweisungen bezüglich der Inhalte seines Accounts, die für den Umgang mit dem digitalen Nachlass maßgeblich sind (vgl. Brisch/Müller-ter Jung, CR 2013, 446, 448), können ferner nach den Nutzungsbedingungen der Beklagten keinerlei Berücksichtigung finden."