Kein Entgelt für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
Dies hat das OLG Frankfurt entschieden. Danach gehört die Berechnung der Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung im Fall der vorzeitigen Rückführung eines Darlehens zu den vertraglichen Nebenpflichten einer Bank, für die kein gesondertes Entgelt erhoben werden darf.
Pauschalgebühr für Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
Die beklagte Bank bewirbt und vertreibt Verbraucherkredite. Nach ihren AGB und dem dazugehörigen Preisverzeichnis sind Darlehensnehmer bei vorzeitiger Rückführung des Darlehens verpflichtet, für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ein pauschales Entgelt in Höhe von 100 Euro zu zahlen. Die Verpflichtung besteht nach dem Banken-AGB unabhängig davon, ob der Verbraucher das Darlehen tatsächlich vorzeitig zurückführt oder nicht. Lediglich bei Darlehen, die durch ein Grundpfandrecht gesichert sind, wird die Gebühr auf die zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung angerechnet, bei sonstigen Darlehen erfolgt keine Anrechnung.
AGB-Inhaltskontrolle ist eröffnet
Der Senat prüfte zunächst, ob die Bestimmung in den AGB, wonach für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung eine pauschale Gebühr fällig wird, den Vorschriften zur gesetzlichen Inhaltskontrolle für AGB unterliegen. Nach Auffassung des OLG wird mit der Gebühr für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung eine Preisnebenabrede getroffen, für die die Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eröffnet ist.
Unangemessene Verbraucherbenachteiligung
Der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB hält die Gebührenregelung der AGB nach Auffassung des Senats nicht stand, da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben hierdurch unangemessen benachteiligt würden. Mit der Gebühr würden nämlich Kosten für eine Verwaltungstätigkeit der Bank auf die Verbraucher abgewälzt, obwohl die Bank zur Berechnung nach der Vertragsgestaltung im Falle einer vorzeitigen Darlehensablösung ohnehin verpflichtet wäre.
Spezialregelung für Immobiliendarlehen
Die Verpflichtung zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung trifft die Bank als vertragliche Nebenpflicht nach Auffassung des Senats unabhängig von der in § 493 Abs. 5 BGB für Immobiliarverbraucherdarlehen ausdrücklich normierten Informationspflicht der Banken zur Mitteilung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung. Diese Spezialregelung für Darlehensverträge im Rahmen der Immobilienfinanzierung sei der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU geschuldet und lasse nicht den Rückschluss zu, dass eine solche Informationspflicht für andere Darlehensverträge nicht bestehe.
Informationsbedürfnis der Verbraucher über Vorfälligkeitsentschädigung
Die Pflicht der Banken, Verbraucher über die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung zu informieren, gilt nach Auffassung des Senats daher als Nebenpflicht auch bei anderen Verbraucherdarlehen. Die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung beinhalte komplexe Rechenoperationen, die der durchschnittliche Verbraucher selbst nicht zu leisten in der Lage sei. Die Banken verfügten demgegenüber über entsprechende Softwareprogramme, die die Berechnung der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung ohne großen Aufwand ermöglichten.
Verwaltungsmehraufwand hat die Bank hinzunehmen
Die AGB-Klausel zur Entgeltpflichtigkeit der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung weicht daher nach Auffassung des Senats im Ergebnis von dem gesetzlichen Leitbild ab, wonach die Bank den Kunden über den Stand seines Darlehens und über die hiermit zusammenhängenden Berechnungsgrundlagen zu unterrichten habe. Die Entgeltregelung in den AGB bedeute deshalb eine unangemessene Negierung des Informationsbedürfnisses der Darlehensnehmer. Den eher geringfügigen Verwaltungsaufwand im Rahmen der Erfüllung dieser Nebenpflicht habe die Bank hinzunehmen.
Gebühr für Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist rechtswidrig
Im Ergebnis erklärte das OLG die Gebührenregelung für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in den AGB der Bank für unwirksam und die Erhebung der Gebühr damit für unzulässig.
(OLG Frankfurt, Urteil v. 14.12.2022, 17 U 132/21)
Hintergrund:
Mit einer ähnlichen Begründung hat der BGH kürzlich die Rechte von Bausparern gestärkt. Der BGH erklärte eine Bestimmung in den AGB der Bausparbanken für unwirksam, mit der die Banken eine Gebühr für die Verwaltung von Bausparverträgen in der Ansparphase erhoben hatten. Auch diese Bestimmung hatte der BGH als unzulässige Preisnebenabrede für eine von der Bank ohnehin zu erbringende Leistung bewertet (BGH, Urteil v. 15.11.2022, XI ZR 551/21).
Erstattungsansprüche verjähren erst nach Kenntnis
Für Verbraucher interessant ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des EuGH, wonach die Ansprüche von Verbrauchern auf Erstattung unzulässig erhobener Bankgebühren nicht verjähren dürfen, solange der Verbraucher sein Recht auf Erstattung nicht erkennen konnte (EuGH, Urteile v. 10.6.2021, C-609/19; C-776/19; C -782/19). Hiernach dürfte für Verbraucher die Geltendmachung von Forderungen auf Erstattung zu Unrecht erhobener Gebühren auch für länger zurückliegende Zeiträume grundsätzlich möglich sein.
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