LG Hamburg zur Vorfälligkeitsentschädigung bei Immobilienkrediten

Weil ein Wohnungskäufer mit den Zahlungen aus seinem Kreditvertrag in Verzug kam, kündigte die Bank dem Kunden die Grundschuld. Die Immobilie wurde verkauft und das Darlehen zurückgezahlt. Als die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung von 96.000 EUR verlangte, ging es vor Gericht.

Ein Mann hatte im Mai 2017 bei seiner Bank ein Darlehen in Höhe von 950.000 EUR aufgenommen, um den Kauf einer privat genutzten Immobilie damit zu finanzieren. Der Sollzins in Höhe von 1,93 Prozent war bis zum 30.5.2027 gebunden. Das Darlehen wurde durch eine Grundschuld an einer Eigentumswohnung gesichert.

Zahlungsverzug des Immobilienkäufers – Bank kündigt Grundschuld

Als der Wohnungskäufer mit der vereinbarten Ratenzahlung teilweise in Verzug kam, kündigte die beklagte Bank die Grundschuld. Letztlich wurde die Immobilie verkauft. Etwa 866.000 EUR wurden dazu verwendet, das Darlehen zu tilgen. Zudem behielt die beklagte Bank gut 96.000 EUR aus dem Verkaufserlös als Vorfälligkeitsentschädigung ein. Dagegen klagte der Wohnungskäufer.

Er argumentierte, dass die Bank auf ihn Zwang ausgeübt habe, die Immobilie zu verkaufen und dabei auch Ratenzahlungen im Voraus verlangt habe. Zudem sei der Anspruch der Bank auf Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB entfallen, da die Informationen der Bank zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft gewesen seien.

Was ist relevant – Restlaufzeit des Darlehens oder die rechtlich geschützte Zinserwartung?

Die Bank stelle in der Belehrung zu Unrecht auf die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens ab und nicht auf den Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung. Die Bank argumentierte dagegen, sie habe den Kläger nicht gezwungen, die Immobilie zu verkaufen. Der Grund dafür sei ein massives Liquiditätsproblem des Klägers gewesen, wie die Rückstände zeigten, die sich seit April 2020 aufgebaut hätten.

Landgericht Hamburg: Bank hat keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung

Das Landgericht Hamburg hat entschieden, dass die Bank dem Wohnungskäufer die einbehaltende Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 96.000 EUR zurückzahlen muss. Der Anspruch der Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sei nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB entfallen.

Vertragswerk zur Vorfälligkeit ist nicht klar und nicht verständlich

Gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem dann ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, das heißt, wenn sie nicht klar und verständlich im Sinne von Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB sind.

In den Vertragsunterlagen werde einem normal informierten und aufmerksamen Verbraucher vermittelt, dass die beklagte Bank so gestellt werde, als ob der Kredit bis zum Ende der Vertragslaufzeit planmäßig fortgeführt worden wäre, obgleich es für die Ermittlung des Zinsnachteils, den die Bank bei vorzeitiger Beendigung des Kredits erleidet, lediglich auf den Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartung ankomme (vgl. OLG Zweibrücken, 7 U 14/22).

Unklarheiten auch bei der rechtlich gesicherten Zinserwartung der Bank

Hinzu komme, dass die rechtlich gesicherte Zinserwartung der beklagten Bank auch für die Dauer der Sollzinsbindung durch die vereinbarten jährlichen Sondertilgungsrechte eingeschränkt werde, was ebenfalls nicht in verständlicher Form mitgeteilt werde, so das Gericht.

Fazit: Die Vertragsangaben sind hinsichtlich des für die Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblichen Zeitraums irreführend und daher als unzureichend im Sinne des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu qualifizieren. Der klagende Darlehensnehmer hat damit gegen die Bank einen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung.

(LG Hamburg, Urteil v. 6.7.2023, 302 O 24/23)


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